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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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düsteren Schergen zurück. Das Knallen ihrer Peitschen, ihr Grölen und dröhnendes Lachen schollen durch die Stadt. Sie brachten die zwei Frauen und zwei Männer zurück, die sie am vergangenen Tag entführt hatten.
    Mythor näherte sich ihnen unauffällig. Aus halb geschlossenen Augen beobachtete er die vier Gefangenen.
    Äußerlich schienen sie unverletzt zu sein. Wunden jedenfalls konnte Mythor nicht an ihnen entdecken. Also war die Geschichte von den Menschenopfern, die der Lorvaner erzählt hatte, wirklich nicht mehr als eine Legende.
    Aber dennoch hatten sich die Gefangenen verändert. Sie wirkten noch seelenloser, noch geschwächter und apathischer. Es sah so aus, als ob ihnen jemand die Lebenskraft ausgesaugt habe. Kaum waren sie vom Wagen herunter, als sie sich auf den Boden hockten und bewegungslos sitzen blieben.
    »Los, bewegt euch, mischt euch unter die anderen!« brüllte der Kutscher und schlug mit der Peitsche auf die vier ein. Und obwohl das Leder blutige Striemen durch ihre Gesichter zog, rührten sie sich nicht. Die Schergen packten sie schließlich an den Haaren und zerrten sie weg. Sie schleiften sie bis zum Kai und ließen sie dort zurück.
    »Wollen mal sehen, wo die Neuen sind«, dröhnte der Kutscher. Breitbeinig baute er sich auf der Straße auf und ließ die Schiffbrüchigen rechts und links an sich vorbeilaufen. Wahllos schlug er von Zeit zu Zeit mit der Peitsche auf die Menschen ein.
    Ein furchtbarer Schreck durchfuhr Mythor. Er hatte gerade das Ende der Straße erreicht und war im Begriff zurückzugehen, als er die Worte vernahm. Die Neuen!
    Damit konnte nur die Besatzung der Kurnis gemeint sein. Die Schinder waren gekommen, um Kalathee, Sadagar, Nottr und ihn zu holen. Er atmete tief durch, dann drehte er sich um und schlenderte zurück.
    Gut, sie sollten ihn ruhig mitnehmen. Er vermutete, dass die Fahrt zur Burg ging. Wenn er erst einmal dort war, würde sich alles Weitere ergeben. Er musste in das Zentrum der Macht, um sie zu zerstören, und dies schien der einzige Weg zu sein. Außerdem durfte er die Gefährten nicht allein lassen. Nur er konnte ihnen jetzt noch helfen.
    »Hier, ich hab' einen!« brüllte der Kutscher. Er schlug mit der Peitsche nach Sadagar und zog ihn damit zu sich heran.
    »Was für eine feine Jacke er trägt«, alberte ein anderer. »Sieht aus wie ein Magier!«
    »Wir werden mit ihm zaubern«, lachte der Kutscher.
    »Ich glaube, der gehörte auch dazu«, brüllte der dritte und fing den Lorvaner mit der Peitsche. »Sieht kräftig aus. Er wird uns sicher länger erhalten bleiben!«
    »Die Frau wohl weniger«, rief der Kutscher und fing Kalathee. Ein begehrliches Glitzern trat in seine Augen. Er packte die Frau an den Haaren, hielt sie fest und betrachtete sie. »Eigentlich zu schade!«
    »Sei vorsichtig«, warnte ein anderer. »Denk an Ysiders Zorn!«
    »So schwer es mir auch fällt, ich denke daran«, erwiderte der Kutscher. Dann warf er Kalathee mit einem brutalen Schwung auf den Wagen. Sadagar und Nottr folgten.
    »Ich glaub', das war's«, sagte der Kutscher. »War diesmal nur eine kleine Besatzung!«
    Ich gehöre auch dazu! Mythor hätte die Worte fast lauthals herausgeschrien. Sollten sie ihn vergessen? Es durfte nicht geschehen. Er beschleunigte seine Schritte.
    Der Kutscher bestieg den Bock. Die anderen Schergen kletterten hinten auf den Wagen und setzten sich so, dass die Gefangenen bei der wilden Fahrt nicht herausfallen konnten.
    »Alles klar?« fragte der Kutscher.
    Nein! hätte Mythor am liebsten gerufen.
    Noch ungefähr dreißig Schritte hatte er bis zu dem Wagen zurückzulegen. Es durfte nicht sein, dass sie ohne ihn fuhren.
    »Alles klar!« sagte einer der Schergen.
    Der Kutscher ordnete die Zügel der vier Pferde. Dann nahm er sie in die linke Hand und ergriff die Peitsche. Das Leder zerschnitt die Luft und explodierte über den Ohren der ersten beiden Tiere.
    Die Pferde warfen die Köpfe hoch und wieherten schrill. Sie zogen an, und auch die beiden nächsten Tiere stemmten sich in das Geschirr. Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung.
    Nur noch zehn Schritte hatte Mythor zurückzulegen!
    Der Kutscher zog die Leitpferde nach rechts, und der Wagen drehte sich auf der Stelle. Das Holz der Räder mahlte im Sand.
    »Vorwärts!« brüllte der Kutscher. Er schlug die Zügel auf die Kruppen der Tiere. Wie wild knallte seine Peitsche über ihnen. Das Gespann jagte auf die Buschreihe zu.
    Zu spät! Mythor blieb stehen und sah verbittert dem Wagen nach.

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