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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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Fette Ratten huschten überall umher. Ohne Scheu liefen sie um die wehrlosen Menschen. Eins der hässlichen Tiere knabberte an Kalathees Fuß. Die Frau rührte sich nicht.
    Es kostete Mythor viel Kraft, ruhig stehenzubleiben. Aber gerade jetzt, da er dem Zentrum der Macht so nahe war, durfte er nicht alles gefährden.
    Über der grauen Burg lag der Geruch nach Verwesung und Tod. Kaltes Grauen ging von diesen Mauern aus. Was alles mochte sich dahinter verbergen? Welche Mächte waren die Herren von Zuuk? Wie viele Schiffbrüchige hatten ihnen schon gedient? Mythor fühlte, dass er den Antworten auf diese Fragen sehr nahe war.
    Eine niedrige Tür hinter den Gefangenen schwang auf. Mythor hörte leise, unregelmäßige Schritte, die von hölzernem Klappern unterbrochen wurden. Er wagte nicht, sich umzudrehen.
    Ein kleiner, buckliger Zwerg tauchte auf und umschlich die Gefährten. Er war nur etwa armlang, vollkommen hager und ausgemergelt. Auf dem Kopf trug er einen breitkrempigen, viel zu großen Schlapphut. Darunter lugte ein uraltes, faltiges Gesicht hervor. Seine Haut war grau und eingefallen wie die Haut eines Toten. In der linken Gesichtshälfte prangte eine daumennagelgroße Warze. Daraus hervor spross ein ganzes Bündel langer Haare.
    Der verwachsene Wicht besaß ein paar listig funkelnde Augen. Sie lagen tief in ihren Höhlen und waren halb verdeckt von schlaffen, herunterhängenden Hautfalten. Der Hals war lang und so dünn, dass man ihm kaum zutrauen konnte, den Kopf mit dem Schlapphut zu tragen.
    Der Zwerg hinkte stark. Wenn er ging, stützte er sich auf einen Stab, der beinahe doppelt so groß wie er selbst war. Der obere Teil des Stabes lief spitz zu und war mit Eisen verstärkt. So konnte er leicht als Lanze dienen.
    »Feine Menschen, starke Menschen«, krächzte der Zwerg. Seine Stimme erinnerte an das Geräusch, das entsteht, wenn man Sand auf Glas zerreibt.
    Jeder der vier Gefährten wurde von ihm ausgiebig begutachtet. Er schlich humpelnd um sie herum, betastete sie und befühlte ihre Muskeln. Die Sache schien ihm zu gefallen, denn er kicherte selbstzufrieden.
    Vor allem Sadagar schien es ihm angetan zu haben. Er streichelte dessen Samtjacke und besah sich sorgfältig die silbernen Symbole, mit denen sie bestickt war.
    »Zu schade«, kicherte der Zwerg. Als die Musterung schließlich beendet war, stieß der Wicht Nottr mit dem stumpfen Ende des Stabes in den Rücken. Er drängte ihn auf die Tür zu, durch die er gekommen war.
    »Es geht weiter«, krächzte der Zwerg. »Noch ein kleiner Weg!«
    Ohne besondere Aufforderung drehten sich Sadagar und Kalathee ebenfalls um und marschierten stumm auf die Tür zu. Mythor folgte ihnen. Der Wicht sprang um sie herum wie ein Hirtenhund um die Herde. Mit dem Stab verteilte er Stöße, lenkte die Gruppe auf die Tür zu und hielt sie zusammen.
    Eine feuchte Kälte herrschte im Inneren der Burg. Sie drang sofort durch die Kleidung und ließ die Haut frösteln. In den Mauerecken und Ritzen wuchsen weiße Pilze. Von der Decke hingen lange, schimmelige Fäden herab und streiften über die Gesichter. Auch hier wimmelte es von Ratten. Daneben bevölkerten Schnecken und Würmer die Gänge.
    Mythor hatte den Eindruck, in eine finstere Gruft hinabzusteigen. Hohl hallten ihre Schritte durch die Gewölbe. Der Zwerg humpelte vor ihnen her und bestimmte den Weg. Mit mechanischen, abgehackten Bewegungen folgten die Gefangenen.
    »Mir nach, mir nach«, lockte der Wicht.
    Der Weg führte durch einen Wirrwarr von leeren Hallen und Gängen, über ausgetretene Treppen hinauf und kurz darauf wieder hinunter. Schon sehr schnell hatte Mythor die Orientierung verloren. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte keine Anhaltspunkte entdecken, an denen sich der Weg zurückverfolgen ließ. Alles sah gleich aus, alles war grau, feucht und düster. Nur in sehr großen Abständen erhellten Ölfackeln die Dunkelheit. Es gab keine Fenster, und der Rauch der blakenden Flammen erfüllte die Gänge und erschwerte das Atmen.
    Ganz allmählich verlangsamte Mythor seinen Schritt und ließ sich zurückfallen. Sadagar, der bisher hinter ihm gegangen war, überholte ihn stumm und folgte gehorsam dem Wicht. Kein einziges Mal sah sich der Führer um.
    Kurze Zeit später konnte Mythor seine Gefährten nicht mehr sehen. Er sprang in eine Mauernische, drückte sich gegen die nasskalte Wand und lauschte mit angehaltenem Atem.
    »Mir nach! Folgt mir!«
    Die beschwörende, heisere Stimme wurde leiser, und ihr hohles

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