Die Insel des Schreckens
einer Fackel, die an der Wand in einer eisernen Halterung steckte. Das Licht beleuchtete gespenstisch sein Gesicht. Nur die Augen lagen im Schatten, den die Krempe des Schlapphuts warf. Er blickte in Mythors Richtung.
Der Zwerg war allein. Weder Kalathee noch Sadagar, noch Nottr waren zu sehen. Doch wen rief der Zwerg? Wem galten die Lockungen?
»Sei tapfer! Hab Mut! Komm her und folge mir!«
Der Zwerg sprach nicht mit den Gefährten. Er lockte nur eine Person. Aber der Gang war leer! Wen gab es hier noch außer ihm selbst? Niemanden! Außer...
War es denkbar, dass er Mythor schon entdeckt hatte?
Unmöglich! Mythor hatte sich leise und vorsichtig herangearbeitet. Dazu wurde er fast ganz von der Biegung des Ganges verdeckt. Außerdem befand er sich im Schatten, und der Zwerg stand im Licht. Die Fackel würde ihn blenden.
Jetzt hob der Wicht einen Arm. Mit langsamen Bewegungen winkte er in Mythors Richtung. Seine langen, dünnen Finger bewegten sich wie Würmer. »Hierher, hierher! Du hast es gleich geschafft!«
Es gab keinen Zweifel mehr. Mythor war entdeckt. Doch was hatte ihn verraten? Das Gläserne Schwert war noch hinter der Biegung verborgen. Sein Leuchten konnte von dort, wo der Zwerg stand, nicht gesehen werden. Waren seine Schritte zu laut gewesen?
»Hierher, hierher! Ich sehe schon deine Augen! Hab Mut!«
Das war die Antwort! Als Mythor um die Ecke geblickt hatte, musste der Zwerg den hellen gelben Schimmer in seinen Augen bemerkt haben. Vermutlich waren sie in der Dunkelheit deutlich zu sehen gewesen.
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Mythor löste sich von der nassen Wand und ging langsam auf den Wicht zu. Er drückte die Hand mit dem Schwert fest gegen den Körper, so dass es aussehen musste, als ob die Waffe noch im Gürtel stecke. Sein Gang wirkte dadurch steifer und unbeweglicher. Es war der Gang eines willenlosen Menschen.
»So ist es gut! Mir nach, folge mir!«
Der Zwerg drehte sich um und wandte Mythor den Rücken zu. Er ging langsam das Gewölbe entlang, in der gleichen Art und Weise, in der er auch die drei Gefährten geführt hatte.
War es möglich, dass er die Flucht Mythors gar nicht als solche registriert hatte? Glaubte er, dass sich Mythor nur verirrt habe, dass der Zauber, der ihn willenlos machen sollte, noch immer wirksam war? Es gab keine andere Erklärung.
Aber wenn das alles zutraf, war mit Sicherheit auch noch kein Alarm ausgelöst worden. Niemand würde Mythor suchen. Schließlich gab es keinen, der von seiner Flucht berichten könnte. Keinen außer dem Zwerg!
Mythor löste sich vom Boden und sprang den Wicht an.
*
»Wer bist du?« stammelte der Zwerg und schnappte nach Luft. Er wand sich unter dem festen Griff Mythors. Der lange Stab mit der Eisenspitze entglitt seiner Hand und polterte zu Boden.
Mythor tastete den Wicht nach weiteren Waffen ab. Er fand noch einen Dolch, zog ihn ihm aus dem Gürtel und warf ihn hinter sich. Dann ließ er den Zwerg los.
Der Gnom wich zurück und drückte sich gegen die Mauer, als könne sie ihn aufnehmen und verbergen. Dabei betastete er seinen dünnen Hals da, wo Mythor ihn gepackt gehalten hatte.
»Ab sofort wirst du nur noch antworten«, sagte Mythor scharf.
Der Zwerg nickte schnell. Sein Schlapphut rutschte nach hinten, und die Krempe legte ein Paar angstvoll aufgerissener Augen frei.
»Wer ist der Herrscher von Zuuk?«
»Er ist stärker als du«, flüsterte der Wicht heiser.
»Antworte! Ist es Ysider?«
Der Gnom nickte. »Ja, er ist es. Aber du kannst ihn nicht bezwingen. Niemand.«
»Ich habe gesagt, du sollst nur noch antworten«, fuhr Mythor dazwischen. »Ist Ysider ein Priester der Schattenzone?«
»Nein! Auch er ist nur ein Diener, ein Sklave Drudins. Doch von ihm hat er alles gelernt, was nötig ist, um Macht in der Lichtwelt zu erlangen. Er hat die Instrumente und das Wissen.«
»Du siehst, dass er nicht Wissen genug hat«, widersprach Mythor. »Mich hat er nicht in seine Gewalt bringen können!«
»Dann wirst du sterben!«
»So wie all die Schiffbrüchigen, die willenlos in der Kuppelstadt leben und Ysiders dunklen Zeremonien dienen müssen?«
»Es wird für dich furchtbarer sein«, flüsterte der Zwerg. »Die seelenlosen Menschen spüren keinen Schmerz. Ysider nimmt ihnen die Lebenskraft, und sie sterben langsam, aber ohne zu leiden!«
»Also lebt Ysider durch seine Opfer«, sagte Mythor. »Er muss ihnen die Lebensenergie stehlen, um selbst existieren zu können. Wie kannst du da von Macht sprechen?«
Der
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