Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
entdecken lassen. Die Daphne lag in sehr fischreichen Gewässern, und es war nicht nötig, die Bordvorräte zu verzehren, wenn man frischen Fisch bekommen konnte. Roberto, der sich jetzt tagsüber mit seinen verdunkelten Augengläsern im Freien bewegte, hatte rasch gelernt, die Netze auszuwerfen und den Angelhaken ins Wasser zu schleudern, und mühelos fing er Fische von solch überdimensionaler Größe, dass er mehr als einmal beinahe über Bord gerissen worden wäre durch den heftigen Ruck, wenn sie anbissen.
Er legte sie aufs Deck, und Pater Caspar schien von jedem die Natur und sogar den Namen zu kennen. Ob er sie freilich gemäß ihrer Natur benannte oder nach seinem Belieben, konnte Roberto nicht sagen.
Wenn die Fische seiner Hemisphäre grau waren, höchstens silbrig glänzend, erschienen diese hier azurblau mit sauerkirschfarbenen Flossen, hatten safrangelbe Bärte oder scharlachrote Mäuler. Er hatte einen großen Aal gefangen, der zwei Köpfe mit Augen zu haben schien, an jedem Ende einen, aber Pater Caspar wies ihn darauf hin, dass der zweiteKopf in Wahrheit ein Schwanz war, den die Natur als Kopf dekoriert hatte, damit das Tier seine Feinde auch hinten abschrecken konnte. Ein anderer Fisch hatte einen gefleckten Bauch und Tintenstreifen auf dem Rücken und alle Farben des Regenbogens rings um die Augen und ein Maul wie eine Ziege, aber Pater Caspar ließ ihn sofort ins Meer zurückwerfen, da er wusste (aus Berichten der Mitbrüder, Reiseerfahrungen, Erzählungen der Seeleute?), dass er giftiger sei als ein Satanspilz.
Bei einem anderen mit gelben Augen, wulstigem Maul und Zähnen wie Nägeln sagte Pater Caspar sogleich, dass er eine Kreatur Beelzebubs sei. Man müsse ihn auf Deck ersticken lassen, bis der Tod eingetreten sei, und dann nix wie zurück mit ihm, woher er gekommen. Sagte er das aufgrund erworbenen Wissens, oder urteilte er nach dem Anblick? Jedenfalls erwiesen sich alle Fische, die er als essbar bezeichnete, als ganz hervorragend – und bei einem hatte er sogar gewusst, dass er besser gekocht als gebraten schmeckte.
Während er Roberto derart in die Geheimnisse jenes salomonischen Meeres einführte, konnte er ihm auch Genaueres über die Insel sagen, die sie bei ihrer Ankunft einmal ganz umkreist hatten. An der Ostküste gab es einige kleine Strände, die aber zu sehr den Winden ausgesetzt waren. Gleich hinter dem südlichen Promontorium, wo die Männer dann später mit dem Boot angelegt hatten, gab es eine ruhige Bucht, nur war das Wasser dort zu seicht für die Daphne . Die Stelle, wo sie jetzt vor Anker lag, war die am besten geeignete: näher an der Insel wäre sie auf eine Untiefe aufgelaufen, und weiter draußen wäre sie in eine starke Strömung geraten, die von Südwesten nach Nordosten durch die Meerenge zwischen den beiden Inseln lief. Was leicht zu beweisen war: Pater Caspar forderte Roberto auf, den toten Balg des Beelzebub-Fisches so weit wie möglich nach Westen ins Meer zu werfen, und tatsächlich wurde der Kadaver des Ungeheuers, solange man ihn treiben sah, rasch fortgerissen von jenem unsichtbaren Fluss.
Sowohl der Pater wie auch die Seeleute hatten die Insel erkundet, wenn nicht ganz, so doch zu einem großen Teil; genug jedenfalls, um entscheiden zu können, dass die Anhöhe, die sie zur Installation der Specula gewählt hatten, denbesten Überblick über jenes Eiland bot, das vielleicht so groß sei, sagte er, wie die Stadt Rom.
Im Innern gebe es einen Wasserfall und eine wunderschöne Vegetation: nicht nur Kokosnüsse und Bananen, sondern auch einige Bäume mit Stämmen in Form von Sternen, deren Spitzen sich nach oben wie Klingen verdünnten.
Von den Tieren habe Roberto ja einige schon im Unterdeck gesehen: Die Insel sei ein Vogelparadies, und es gebe sogar fliegende Füchse. Im Unterholz hätten sie Schweine gesehen, aber es sei ihnen nicht gelungen, welche zu fangen. Es gebe Schlangen, aber keine habe sich als giftig oder böse erwiesen, während die Vielfalt der Eidechsen grenzenlos sei.
Doch die reichste Fauna finde sich längs des Korallenriffs. Schildkröten, Krebse, Austern in jeder Form, nicht zu vergleichen mit denen, die man in unseren Meeren finde, groß wie Körbe, wie Töpfe, wie Schüsseln, oft schwer zu öffnen, aber wenn man sie einmal aufbekommen habe, böten sie Massen von weißem Fleisch, weich und fett, echte Leckerbissen. Leider habe man sie nicht an Bord bringen können: kaum aus dem Wasser geholt, seien sie in der Sonne verdorben.
Von
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