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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Literarum Notis, einen Mercurius Redivivus und ein Etymologicon Lustgärtlein!«.
    Dass diesem ganzen versammelten Wissen beschieden sein könnte, seine private Erbschaft zu bleiben, da er vielleicht nie wieder nach Hause zurückfinden würde, bekümmerte den alten Jesuiten nicht weiter, ich weiß nicht, ob aus Vertrauen in die Vorsehung oder aus Liebe zur Erkenntnis um ihrer selbst willen. Was mich indes überrascht, ist, dass an diesem Punkt auch Roberto keinen einzigen realistischen Gedanken mehr fasste und anfing, die Landung auf der Insel als das Ereignis zu sehen, das seinem Leben für immer einen Sinn geben würde.
    Was ihn vor allem anderen an der Specula interessierte, war der Gedanke, dass dieses Orakel ihm auch würde sagen können, wo sich im selben Augenblick seine Signora befand und was sie gerade tat. Woran man sieht, dass es keinen Zweck hat, einem Verliebten, mag er auch abgelenkt sein durch nützliche Leibesübungen, Nachrichten von neuen Sternen zu bringen, er wird immer nur auf Nachrichten von seinem schönen Leid und seiner lieben Qual erpicht sein.
    Überdies, was immer sein Schwimmlehrer ihm auch sagen mochte, träumte er von einer Insel, die sich ihm nicht in der Gegenwart präsentierte, in welcher er sich befand, sondern die durch göttlichen Ratschluss in der Unwirklichkeit – oder im Nichtsein – des vergangenen Tages lag.
    Was ihm durch den Kopf ging, wenn er in die Wellen eintauchte, war die Hoffnung, zu einer Insel zu gelangen, die gestern gewesen war und als deren Symbol ihm dieFlammenfarbene Taube erschien, die ungreifbar war, als wäre sie in die Vergangenheit entflogen.
    Es waren noch unklare Vorstellungen, die ihn bewegten, er ahnte dunkel, dass er etwas anderes wollte als Pater Caspar, aber er wusste nicht, was. Und man muss seine Ungewissheit verstehen, schließlich war er der erste Mensch in der Geschichte der menschlichen Gattung, dem sich die Möglichkeit bot, in den vorigen Tag zurückzuschwimmen.
    Auf jeden Fall hatte er sich nun davon überzeugt, dass er wirklich schwimmen lernen musste, und wie jeder weiß, hilft ein gutes Motiv tausend Ängste überwinden. Darum finden wir ihn am nächsten Tag bei einem erneuten Versuch im Wasser.
     
    Diesmal erklärte ihm Pater Caspar, wenn er die Strickleiter loslasse und die Hände paddelnd bewege, als ob er dem Rhythmus einer Musikkapelle folge, und wenn er dazu ganz unverkrampft mit den Beinen strampele, würde das Meer ihn tragen. Er ermutigte ihn, es zu probieren, zunächst mit straff gespanntem Seil, dann ließ er das Seil etwas lockerer, ohne es ihm zu sagen, beziehungsweise er teilte es ihm erst mit, als der Schüler eine gewisse Sicherheit erreicht hatte. Bei dieser Mitteilung glaubte Roberto zwar, sofort auf den Grund zu sinken, aber während er aufschrie, machte er instinktiv einen Schlag mit den Beinen und kam wieder hoch.
    Eine gute halbe Stunde lang setzten sie diese Versuche fort, und allmählich lernte Roberto, sich über Wasser zu halten. Doch sobald er versuchte, sich mit größerem Schwung zu bewegen, warf er unwillkürlich den Kopf nach hinten. Daraufhin ermunterte ihn Pater Caspar, sich dieser Neigung anzuvertrauen und sich so lange wie möglich mit zurückgelegtem Kopf treiben zu lassen, den Körper gestreckt und leicht gebogen, die Arme und Beine weit auseinander, als müsse er den Umfang eines Kreises berühren; er würde sich wie in einer Hängematte fühlen und würde Stunden um Stunden so verharren, ja sogar schlafen können, geküsst von den Wellen und von den schrägen Strahlen der untergehenden Sonne. Woher Pater Caspar das alles wusste, obwohl er doch nie geschwommen war? Durch physico-hydrostatische Theorie, sagte er.
    Es war nicht einfach, die richtige Lage zu finden, Roberto glaubte ein paarmal, sich hustend und schnaubend mit dem Seil zu erwürgen, aber nach einer Weile schien er das Gleichgewicht gefunden zu haben.
    Zum ersten Mal empfand er das Meer als freundlich. Den Anweisungen Pater Caspars folgend, breitete er Arme und Beine aus, hob den Kopf und legte ihn in den Nacken, gewöhnte sich daran, Wasser in den Ohren zu haben und den Druck zu ertragen. Er konnte sogar sprechen und laut genug rufen, um an Bord gehört zu werden.
    »Wann du willst, kanstu dich jetzo auch umbdrehen«, sagte der Pater nach einer Weile. »Senck den rechten Arm, als ob er dir unter dem Leibe hinge, heb ein wenig die linke Schulter, und du wirst sehn, gleich liegstu bauchunten.«
    Er hatte nicht hinzugefügt, dass man bei

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