Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
vollziehe.
Der erste Himmelskörper, auf dem sie landeten, war der weiße Mond in einer vom Mittag der Erde erhellten Nacht. Und die Erde stand über dem Horizont wie eine riesige, drohende, grenzenlose Polenta, die am Himmel brutzelte und ihm fast auf den Kopf zu fallen schien, sprühend vor fieberhaft fiebernder Febrilität, fiebrig fiebrierend in siedendem sabberndem Sud, blasentreibend in blubbernder blabbernder blobbernder Brühe, pluppete plappete plop. Denn wenn du Fieber hast, wirst du selber zu einer Polenta, und die Lichter, die du siehst, kommen alle aus dem Gebrutzel in deinem Kopf.
Und dort auf dem Mond mit der Taube ...
Wir werden in alledem, was ich bisher berichtet habe, gewiss nicht Kohärenz und Wahrscheinlichkeit gesucht haben, denn es handelte sich um den Fiebertraum eines von einem Steinfisch Vergifteten. Doch was ich jetzt zu berichten habe, übertrifft alle unsere Erwartungen. Denn Robertos Geist oder sein Herz oder jedenfalls seine Einbildungskraft nahm eine blasphemische Verwandlung vor: Auf dem Mond angelangt, sah er sich nicht mehr mit dem HErrn, sondern mitder HErrin, der Signora, der endlich Ferrante entrissenen Lilia! An den Seen des Mondes erhielt Roberto zurück, was ihm sein Bruder zwischen den Teichen der Springbrunneninsel genommen hatte. Er küsste ihr das Gesicht mit den Augen, betrachtete sie mit dem Mund, saugte und biss und biss sie zurück, und die verliebten Zungen scherzten miteinander um die Wette.
Erst jetzt kam Roberto wieder zu sich, während sein Fieber vielleicht etwas nachließ, doch er blieb tief aufgewühlt von dem, was er gesehen hatte, wie es nach einem Traum geschieht, der uns nicht nur im Geiste, sondern auch im Körper verwirrt zurücklässt.
Er wusste nicht, ob er weinen sollte vor Glück über seine wiedergefundene Liebe oder vor Scham und Reue darüber, dass er – verleitet vom Fieber, das die Gesetze der Gattungen nicht kennt – sein Sakrales Heldenepos in ein laszives Lustspiel hatte umschlagen lassen.
Dieser eine Moment, sagte er sich, wird mir nun wirklich die Hölle eintragen, denn ich bin nicht besser als Judas noch als Ferrante – ja, ich bin kein anderer als Ferrante und habe bisher nichts anderes getan, als mir seine Bosheit zunutze zu machen, um zu träumen, dass ich getan hätte, was zu tun mich nur meine Feigheit immer gehindert hat.
Mag sein, dass ich für meine Sünde nicht zur Rechenschaft gezogen werde, weil nicht ich es war, der da gesündigt hat, sondern der Steinfisch, der mich auf seine Weise hat träumen lassen. Doch wenn ich in eine solche Verirrung geraten bin, ist das gewiss ein Zeichen dafür, dass ich wirklich im Sterben liege. Und ich musste erst auf den Steinfisch warten, um mich zu entschließen, an den Tod zu denken, obwohl doch dieser Gedanke die erste Pflicht eines guten Christenmenschen sein sollte.
Warum habe ich nie an den Tod gedacht noch an den Zorn eines lachenden Gottes? Weil ich mich an die Lehren meiner Philosophen gehalten habe, für die der Tod eine natürliche Notwendigkeit war und Gott derjenige, der in die Unordnung der Atome das Gesetz eingeführt hat, das sie zur Harmonie des Kosmos fügt. Und konnte ein solcher Gott, alsHerr und Meister der Geometrie, die Unordnung der Hölle hervorbringen, sei's auch nur als Strafgericht, und dann über jene Umwälzung aller Umwälzungen lachen?
Nein, Gott lacht nicht, sagte sich Roberto. Er gehorcht dem Gesetz, das er selbst gewollt hat und dem zufolge die Ordnung unseres Körpers zerfällt, so wie mein Körper sich gewiss schon zersetzt in diesem allgemeinen Zerfall. Und schon sah er Würmer dicht vor seinem Munde kriechen, aber diesmal waren es keine Ausgeburten seines Deliriums, sondern Wesen, die sich durch Spontanzeugung im Schmutz der Hühner gebildet hatten als Sprösslinge ihrer Exkremente.
Da hieß er diese Boten der Verwesung willkommen, denn er begriff nun, dass dieses langsame Aufgehen in der viskosen Materie als das Ende allen Leidens erlebt werden musste, in Einklang mit dem Willen der Natur und des sie lenkenden Himmels.
Ich habe nur noch über ein Kleines zu warten, murmelte er wie in einem Gebet. In wenigen Tagen wird mein Körper, der jetzt noch gut zusammenhält, die Farbe gewechselt haben und bleich wie eine weiße Bohne geworden sein, danach wird er sich von Kopf bis Fuß schwarz färben, und eine dunkle Wärme wird ihn erfüllen. Dann wird er sich zu blähen beginnen, und auf dieser Blähung wird sich ein übelriechender
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