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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Einsiedelei würde er Zeit genug haben, über die einzige Frage nachzudenken, die uns von jeder Angst vor dem Nichtsein befreit, indem sie uns dem Staunen über das Sein ausliefert.

 
    37
    PARADOXE EXERZITIEN
    ÜBER DAS DENKEN DER STEINE
     
    W ie lange war er denn krank gewesen? Tage? Wochen? Oder war in der Zwischenzeit ein Sturm über das Schiff gekommen? Oder hatte ihn, noch bevor er dem Steinfisch begegnet war, das Meer oder sein Roman derart in Beschlag genommen, dass er gar nicht gemerkt hatte, was um ihn her geschah? Seit wann hatte er den Sinn für die Dinge verloren?
    Die Daphne war ein anderes Schiff geworden. Das Deck war schmutzig, die Wasserfässer leckten und fingen an zu verrotten, einige Segel hatten sich gelöst und hingen zerfranst von den Rahen wie Masken, die hohläugig durch ihre Löcher grinsten.
    Die Vögel lärmten, und Roberto eilte sofort hinunter, um sie zu versorgen. Einige waren tot. Zum Glück hatten die Pflanzen genug Regen und Luft bekommen, um zu wachsen, und einige wucherten sogar bis in die Käfige hinein, so dass sie den meisten Vögeln Nahrung boten, und für die anderen hatten sich die Insekten vermehrt. Die Überlebenden hatten sogar Nachwuchs gezeugt, und so waren die wenigen Toten durch viele Lebende ersetzt worden.
    Die Insel hatte sich nicht verändert; nur war sie jetzt für Roberto, nachdem er die Maske verloren hatte, in die Ferne gerückt, als hätte die Strömung sie fortgetrieben. Das Korallenriff, das er nun von dem Steinfisch bewacht wusste, war unüberwindlich geworden. Roberto hätte zwar noch schwimmen können, aber nur um des Schwimmens willen und ohne sich den Klippen zu nähern.
    »O menschliche Machenschaften, was seid ihr chimärisch«, murmelte er. »Wenn der Mensch nichts ist als ein Schatten, seid ihr Rauch. Wenn er nichts ist als ein Traum, seid ihr Larven. Wenn er nichts ist als eine Null, seid ihr Punkte. Und wenn er nichts ist als ein Punkt, seid ihr Nullen.«
    So viel Hin und Her, sagte er sich, um zu entdecken, dass ich null und nichtig bin. Sogar noch nichtiger, als ich es bei meiner Ankunft als einziger Überlebender war. Der Schiffbruch hatte mich aufgerüttelt und dazu gebracht, für mein Leben zu kämpfen, jetzt habe ich nichts mehr, wofür oder wogegen ich noch kämpfen könnte. Ich bin zu einem langen Nichtstun verurteilt. Nicht die Leere der Räume zu betrachten bin ich hier, sondern die Leere in mir; und daraus werden sich nur Langeweile, Traurigkeit und Verzweiflung ergeben.
    Bald werde nicht nur ich, bald wird auch die Daphne nicht mehr sein. Wir werden beide nur noch Fossilien sein, wie diese Koralle.
    Denn die Koralle in Schädelform war noch da, sie lag auf dem Deck, unbeschädigt von der allgemeinen Verwesung und somit, da dem Tod entzogen, das einzige lebende Ding.
    Angesichts jener eigenartigen Form geriet unser Schiffbrüchiger, der neue Länder nur durch das Fernrohr des Wortes zu entdecken vermochte, erneut ins Sinnieren. Wenn die Koralle ein lebendes Ding war, sagte er sich, dann war sie das einzige wirklich denkende Wesen in dieser Unordnung aller sonstigen Gedanken. Sie konnte nicht anders, als die eigene wohlgeordnete Komplexität zu denken, über die sie freilich schon alles wusste, ohne erst auf unvorhergesehene Erschütterungen ihrer Architektur warten zu müssen.
    Leben und denken die Dinge? Der Kanonikus hatte einmal gesagt, um das Leben und seine Entwicklung zu rechtfertigen, müsse es in jedem Ding gleichsam Blüten der Materie geben, sporá , Samenkörner. Die Moleküle seien Verbindungen von bestimmten Atomen zu bestimmten Gestalten, und wenn Gott dem Chaos der Atome Gesetze auferlegt habe, dann könnten diese Verbindungen nur dazu gebracht werden, analoge Verbindungen zu erzeugen. Ist es möglich, dass die Steine, die wir kennen, noch immer dieselben sind, die schon die Sintflut überlebt haben, dass auch sie nicht geworden und aus ihnen keine anderen erzeugt worden sind?
    Wenn das Universum nichts anderes ist als eine Anzahl einfacher einzelner Atome, die zusammenstoßen, um ihre Verbindungen zu erzeugen, dann ist es nicht möglich, dass diese Atome aufhören, sich zu bewegen, wenn sie sich einmal zu ihren Verbindungen zusammengesetzt haben. In jedemGegenstand muss es eine unaufhörliche Bewegung geben: wirbelnd in den Winden, fließend und reguliert in den tierischen Körpern, langsam, aber unerbittlich in den pflanzlichen und sicher noch langsamer, aber nicht zum Stillstand gekommen, in den mineralischen. Auch

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