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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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uneingeschränkte Freiheit wiedergegeben werden. Aber setzt Euch doch bitte«, sagte der Kardinal. »Ich muss Euch eine Mission vorschlagen.«
    Roberto setzte sich. »Eine Mission?«
    »Eine delikate. In deren Verlauf, wir wollen es Euch nicht verhehlen, Ihr etliche Gelegenheiten haben werdet, Euer Leben zu verlieren. Aber dies ist ein Handel: Ihr entgeht der Gewissheit des Henkers und habt viele Gelegenheiten, heil und gesund zurückzukehren, wenn Ihr Euch klug anstellt. Ein Jahr voller Widrigkeiten für ein ganzes Leben.«
    »Eminenz«, sagte Roberto, der nun wenigstens das Bild des Henkers verblassen sah, »soweit ich verstehe, ist es überflüssig, dass ich schwöre, bei meiner Ehre oder beim Kreuz, dass ...«
    »Wir würden es an christlicher Barmherzigkeit fehlen lassen, wenn wir ausschlössen, dass Ihr unschuldig seid und wir das Opfer eines Missverständnisses wären. Doch das Missverständnis wäre in solcher Übereinstimmung mit unseren Plänen, dass wir keinen Grund sähen, es zu beheben. Und Ihr wollt ja wohl nicht insinuieren, wir hätten Euch einen unehrenhaften Vorschlag gemacht, wie wenn wir etwa gesagthätten, entweder als Unschuldiger unterm Beil oder als falsch geständiger Delinquent in unseren Diensten ...«
    »Nie käme ich auf etwas so Respektloses, Eminenz.«
    »Nun denn. Wir bieten Euch einige mögliche Risiken, aber sicheren Ruhm. Und seid versichert, wir hätten nie unser Auge auf Euch geworfen, wenn Eure Anwesenheit in Paris uns nicht vorher schon aufgefallen wäre. Die Stadt, müsst Ihr wissen, spricht viel von dem, was in ihren Salons geschieht, und ganz Paris hat vor einiger Zeit über einen Abend gesprochen, an dem Ihr in den Augen vieler Damen brilliert habt. Jawohl, ganz Paris, errötet nicht. Wir meinen jenen Abend, an dem Ihr mit großer Verve über die Kräfte eines sogenannten sympathetischen Pulvers gesprochen habt, und zwar dergestalt, dass – so will man es doch in Euren Kreisen, nicht wahr? – die Ironien dem Thema Würze gaben, die Paronomasien Anmut, die Sentenzen Feierlichkeit, die Hyperbeln Reichtum und die Vergleiche Anschaulichkeit ...«
    »Ach, Eminenz, ich habe nur Angelerntes referiert ...«
    »Ich weiß Eure Bescheidenheit zu schätzen, aber offenbar habt Ihr eine gute Kenntnis über einige Geheimnisse der Natur an den Tag gelegt. Wohlan denn, ich brauche einen Mann, der über ein solches Wissen verfügt, der kein Franzose ist und der sich, ohne die Krone zu kompromittieren, als Passagier auf ein Schiff begeben kann, das von Amsterdam aus in See stechen wird, um ein neues Geheimnis zu entdecken, welches in gewisser Weise mit dem Gebrauch jenes Pulvers zusammenhängt ...«
    Erneut kam er einem Einwand Robertos zuvor: »Habt keine Angst, auch für uns ist es wichtig, dass Ihr wisst, was wir suchen, damit Ihr auch die ungewisseren Zeichen interpretieren könnt. Wir wollen, dass Ihr wohlunterrichtet über das Thema seid, da wir Euch jetzt so bereitwillig sehen, uns entgegenzukommen. Ihr werdet einen guten Lehrer haben, und lasst Euch nicht von seinem jugendlichen Alter täuschen.« Er streckte eine Hand aus und zog an einer Kordel. Nichts war zu hören, doch er musste anderswo eine Glocke oder sonst ein Signal ausgelöst haben – so jedenfalls schloss Roberto in einer Epoche, in der die großen Herren noch in die Hände klatschten oder laut riefen, um ihre Diener herbeizuholen.
    Tatsächlich erschien kurz darauf ehrerbietig ein junger Mann, der kaum älter als Anfang zwanzig sein konnte.
    »Willkommen, Colbert, dies ist der Mann, über den wir heute gesprochen haben«, sagte Mazarin zu ihm und dann zu Roberto: »Colbert, der sich auf vielversprechende Weise in die Geheimnisse der Staatsverwaltung einarbeitet, beschäftigt sich seit einiger Zeit mit einem Problem, das Kardinal Richelieu sehr am Herzen liegt und folglich auch mir. Ihr wisst vielleicht, dass die französische Flotte, bevor der Kardinal das Steuerruder dieses großen Schiffes übernahm, dessen Kapitän Ludwig XIII. ist, es in keiner Weise mit der unserer Feinde aufnehmen konnte, weder im Krieg noch im Frieden. Heute dagegen können wir stolz sein auf unsere Werften, auf die Flotte im Osten wie auf die im Westen, und Ihr werdet Euch erinnern, mit welchem Erfolg vor gerade erst sechs Monaten der Marquis de Brézé vierundvierzig Galeonen, vierzehn Galeeren und ich weiß nicht mehr wie viele andere Schiffe vor Barcelona auffahren lassen konnte. Wir haben unsere Eroberungen in Neufrankreich festigen können,

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