Die Insel Des Vorigen Tages
Stück daraus entnommen und es, während Roberto jenes Museum besichtigte, in seine Kajüte gestellt haben, vielleicht in der Hoffnung, daß sein Opfer den Verstand verlieren und sich ins Meer stürzen würde. Er will mich tot haben, er will mich verrückt machen, murmelte Roberto, aber ich werde ihm sein Rattenvieh in den Hals zurückstopfen, ich werde ihn selbst ausgestopft in jene Kammer stellen, wo versteckst du dich, du verfluchter Kerl, wo bist du, vielleicht beobachtest du mich gerade, um zu sehen, ob ich wahnsinnig werde, aber ich werde dich wahnsinnig machen, Elender!
Er stieß das Tier mit dem Büchsenkolben zur Tür hinaus, überwand seinen Ekel, packte es mit den Händen und warf es über Bord.
Entschlossen, das Versteck des Eindringlings jetzt zu finden, stieg er erneut in den Kielraum hinunter, direkt bis zum Holzlager, wo er achtgab, nicht wieder auf den Rundhölzern auszurutschen, die überall verstreut auf dem Boden lagen. Hinter dem Holzlager gelangte er zu einem Raum, den sie auf der Amarilli das Magazin (die soute oder sota ) für den Zwieback genannt hatten; unter einem Segeltuch, gut verpackt und geschätzt, fand er dort zunächst ein sehr großes Fernrohr, stärker als das in seiner Kajüte, vielleicht eine Hyperbel oder Prothese der Augen, die zur Erkundung des Himmels gedacht war. Aber dieses Teleskop lag in einer großen Schüssel aus leichtem Metall, und neben der Schüssel lagen, sorgfältig in andere Tücher gehüllt, verschiedene Instrumente ungewisser Natur, eiserne Stangen und Bögen, ein kreisrundes Segeltuch mit Ringen am Rand, eine Art Helm und schließlich drei bauchige Gefäße, die ein penetrant riechendes, dickflüssiges Öl enthielten. Wozu das Ganze dienen mochte, fragte Roberto sich nicht: Er wollte jetzt eine lebende Kreatur entdecken.
Darum kontrollierte er, ob es unter diesem Raum noch einen weiteren gab. Es gab einen, der jedoch so niedrig war, daß man darin nur auf allen vieren kriechen konnte. Roberto kroch hinein, wobei er die Lampe nach unten hielt, um eventuelle Skorpione zu sehen und aus Angst, die Decke in Brand zu stecken. Nach kurzem Kriechen war er ans Ende gelangt und stieß mit dem Kopf an das harte Lärchenholz der Schiffswand, das Ultima Thule der Daphne , hinter dem man das Wasser gegen die Bordwand schwappen hörte. Also konnte hinter diesem blinden Gang nichts mehr sein.
Damit beendete er seine Suche, als ob ihm die Daphne keine weiteren Überraschungen mehr bereithalten könnte.
Wem es seltsam erscheinen mag, daß Roberto in mehr als einer Woche seines untätigen Aufenthalts auf dem Schiff nicht imstande war, alles zu sehen, der bedenke nur einmal, wie es einem Kind ergeht, das auf den Dachboden oder in den Keller eines großen alten Hauses mit unregelmäßigem Grundriß gelangt.
Bei jedem Schritt stößt es auf Kisten mit alten Büchern, auf Truhen mit abgelegten Kleidern, auf leere Flaschen, kaputte Möbel, verstauchte und wacklige Schränke.
Das Kind dringt vor, bleibt stehen, um einen Schatz zu entdecken, erblickt einen Gang, einen dunklen Korridor, stellt sich irgendeine bedrohliche Präsenz darin vor und verschiebt die Erkundung auf ein anderes Mal, und bei jedem Mal geht es nur zögernd vor, einerseits voller Angst, sich zu weit vorzuwagen, andererseits gelockt von der Aussicht auf künftige Entdeckungen und beeindruckt von den zuletzt gemachten, und so nimmt jener Dachboden oder Keller nie ein Ende und kann ihm während der ganzen Kindheit und darüber hinaus immer wieder Neues enthüllen.
Und wenn das Kind dann bei jeder Erkundung von neuen Geräuschen erschreckt würde oder man ihm, um es von jenen verschlungenen Gängen fernzuhalten, jeden Tag neue Schauermärchen erzählte - und wenn dieses Kind obendrein noch betrunken wäre -, dann versteht man, wie es kommt, daß der zu erkundende Raum sich mit jedem neuen Abenteuer erweitert. Nicht anders erlebte Roberto die Erkundung seines ihm noch feindlichen Territoriums.
Es war frühmorgens, und er träumte wieder. Er träumte von Holland. Er war dort gewesen, als ihn die Männer des Kardinals nach Amsterdam führten, um ihn auf die Amarilli zu bringen. Unterwegs hatten sie in einer Stadt haltgemacht, und Roberto war in den Dom gegangen. Als erstes hatte ihn die Klarheit jenes hohen Kirchenraums überrascht, der so ganz anders war als in den italienischen und französischen Kirchen: frei von Dekorationen, nur einige Standarten an den nackten Säulen, die Fenster hell und bildlos, so daß
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