Die Insel Des Vorigen Tages
aber die Ehre einen feuchten Dreck wert ist, müßt ihr wissen, daß, wenn die Kaiserlichen in Casale einrücken, die fackeln nicht lange, eure Weinstöcke gehn zugrunde, und von euren Frauen wolln wir lieber nicht reden. Drum auf zur Verteidigung von Casale! Ich zwinge niemanden. Gibt’s unter euch einen elenden Nichtsnutz, der andrer Meinung ist, soll er’s sagen, daß ich ihn aufhäng’ dorten an jener Eiche.« Keiner der Anwesenden konnte schon die Radierungen von Callot kennen, auf denen man Trauben von Leuten wie sie an den Ästen anderer Eichen hängen sieht, aber es mußte etwas in der Luft liegen: Alle schwenkten ihre Musketen oder Piken oder Knüppel mit oben drangebundenen Sicheln und riefen: »Vivat Casale! Nieder mit den Kaiserlichen!« Wie ein Mann.
»Mein Sohn«, sprach der alte Pozzo zu Roberto, während sie durch das Hügelland ritten an der Spitze ihres kleinen Heeres, das ihnen zu Fuß folgte, »dieser Nevers ist keins meiner Eier wert, und Don Vincenzo, als der ihm sein Herzogtum vermacht hat, hat außer dem Schwanz auch den Grips nicht mehr hochgekriegt, den er freilich auch vorher nicht hochgekriegt hatte. Aber er hat’s nun mal dem Nevers vermacht und nicht diesem Stiesel von Guastalla, und die Pozzos waren seit jeher Vasallen der rechtmäßigen Herren von Monferrat. Ergo wird nach Casale gegangen, und wenn’s sein muß, wird dort auch gestorben, bei Gott, man kann doch nicht einem Herrn treu sein, solang alles gutgeht, und ihn dann im Stich lassen, wenn er bis zum Hals in der Scheiße sitzt! Aber freilich, am Leben bleiben ist besser, also Augen auf!«
Der Marsch jener Freiwilligen von der Grenze des Alessandrinischen in das kaum zwanzig Meilen entfernte Casale war gewiß einer der längsten, die die Geschichte kennt. Der alte Pozzo hatte eine an sich exemplarische Überlegung angestellt: »Ich kenne die Spanier«, hatte er gesagt, »das sind Leute, die sich’s gerne leichtmachen. Drum werden sie auf Casale durch die Ebene im Süden ziehen, wo man besser mit Karren, Geschützen und anderen Vehikeln durchkommt. Wenn wir also kurz vor Mirabello nach Westen abbiegen und den Weg durch die Hügel nehmen, brauchen wir zwar ein paar Tage länger, aber wir bleiben unbehelligt und sind immer noch vor ihnen da.«
Dummerweise hatte Spinola kompliziertere Vorstellungen von der Art, wie man eine Belagerung vorbereitet. Als er im Südosten von Casale begann, die Ortschaften Valenza und Occimiano besetzen zu lassen, hatte er schon einige Wochen zuvor den Herzog von Lerma, Ottavio Sforza, und den Grafen von Gemburg mit etwa siebentausend Infanteristen in die Hügel westlich der Stadt geschickt mit dem Auftrag, so rasch wie möglich die Kastelle von Rosignano, Pontestura und San Giorgio einzunehmen, um jede mögliche Hilfeleistung seitens der französischen Armee zu unterbinden, derweil in einer Zangenbewegung von Norden her der Gouverneur von Alessandria, Don Geronimo Augustin, mit weiteren fünftausend Mann den Po nach Süden überschritt. Und alle hatten sich längs der Route verteilt, die Pozzo für so prächtig menschenleer hielt. Als er es dann von einigen Bauern erfuhr, konnte der wackere Edelmann seinen Kurs nicht mehr ändern, denn im Osten standen inzwischen ebenso viele Kaiserliche wie im Westen.
So sagte er bloß: »Wir beugen uns nicht. Ich kenne die Gegend besser als sie, wir schlupfen da mittendurch wie die Marder.« Was freilich Beugen oder Biegungen und Umwege in großer Zahl erforderte. Dabei trafen sie sogar auf die Franzosen aus Pontestura, die sich inzwischen ergeben hatten und denen man, vorausgesetzt, daß sie nicht nach Casale zurückgingen, gestattet hatte, sich an die ligurische Küste durchzuschlagen, um von dort per Schiff nach Frankreich zurückzukehren. Pozzo und seine Leute begegneten ihnen in der Nähe von Otteglia, und beinahe hätten die beiden Trupps das Feuer aufeinander eröffnet, da sie einander wechselseitig für Feinde hielten; von ihrem Kommandanten erfuhr er dann, daß eine der Kapitulationsbedingungen in Pontestura darin bestanden hatte, die dortigen Getreidevorräte an die Spanier zu verkaufen, daß aber diese das Geld an die Casaler geschickt hatten.
»Die Spanier sind noble Herren, mein Sohn«, sagte Pozzo, »und es ist ein Pläsier, gegen sie zu kämpfen.
Zum Glück sind wir ja nicht mehr in den Zeiten von Karl dem Großen gegen die Mauren, als die Kriege noch ein einziges Schlägst-dumich-tot-schlag-Ich-dich-tot waren. Dies hier sind Kriege zwischen
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