Die Insel Des Vorigen Tages
wir kennen, also Jupiter, Mars, Venus, Mercurius und Saturnus, sich umb die Sonne drehen, indeß jedoch die Sonne mitsambt ihrer Umbgebung sich umb die Erde drehet und auch der Mond sich umb die Erde drehet und die Erde selbst stille stehet im Mittelpunckte des Kreyses der Fixsterne. So erklärest du die Errores Ptolemaei, ohne daß du Ketzereyen sagst, während Ptolemaeus eben Errores begangen und Galilei Ketzereyen gesagt hat. Und du bist nit gezwungen zu erklären, wie die schwere Erde mit ihrem ganzen Gewicht am Himmel herumbfliegen kann.«
»Und wie können das die Sonne und die Fixsterne?«
»Wer sagt, daß die schwer sind? Ich nicht. Sie sind himmlische Körper, nicht irdische! Die Erde ja, die ist schwer.«
»Also dann: wie kann ein schweres großes Schiff mit hundert Kanonen auf dem Meer herumfahren?«
»Das Meer trägt es, der Wind treibt es.«
»Also, wenn man etwas Neues sagen will, ohne die Kardinäle in Rom zu ärgern: in Paris habe ich einen Philosophen sagen hören, die Himmel seien ein flüssiger Stoff, so ähnlich wie ein Meer, und sie drehten sich rings um die Erde, und dabei bildeten sich sozusagen ... tourbillons ...«
»Was ist das?«
»Wirbel, Vortices.«
»Ach so, Vortices, ja. Und was machen diese Wirbel?«
»Nun, sie wirbeln die Planeten mit, und ein Wirbel wirbelt die Erde um die Sonne, aber es ist der Wirbel, der sich bewegt, nicht die Erde, die wird nur mitgerissen.«
»Bravo, Meister Robertus! Vorhinn hast du nit wollen, dass die Himmel aus Krystall seyen, dieweil du förchtest, dass die Kometen sie sonst zerbrächen, und jetzo möchtest du, dass sie flüssig seyen, so daß die Vögel darinnen ertrincken! Im übrigen würde diese Idee mit den Wirbeln nur erklären, wie die Erde sich umb die Sonne drehet, nicht aber, wie die Erde sich umb sich selber drehet gleichwie ein Kinder-Kreysel.«
»Ja, aber dieser Philosoph hat auch gesagt, was sich drehe, sei nur die Oberfläche der Meere und die Erdkruste unseres Planeten, während der Kern des Erdinnern stillstehe. Glaube ich wenigstens.«
»Das ist ja noch dümmer als vorhinn. Wo hat dieser Herr Philosoph das geschrieben?«
»Ich weiß nicht, ich glaube, er hat darauf verzichtet, es zu schreiben oder das Buch zu veröffentlichen. Er wollte die Jesuiten nicht ärgern, die ihm sehr lieb sind.«
»Also da ziehe ich den Signor Galilei vor. Der hatte ketzerische Gedancken, aber er hat sie überaus liebevollen Kardinälen gestanden, und niemand hat ihn verbrannt. Mir gefallt dieser andere nicht, der noch viel ketzerischere Gedancken hat, aber sie nit gestehet, nicht einmal seinen Freunden, den Jesuiten.
Vielleicht wird Gott dem Galilei eines Tages vergeben, aber nit jenem.«
»Wie auch immer, ich glaube, er hat diese erste Idee dann später korrigiert. Ich glaube, er hat dann gesagt, daß der ganze große Haufen Materie, der von der Sonne bis zu den Fixsternen geht, sich in einem großen Kreise dreht, getrieben von diesem Wind ...«
»Sagtest du nit, die Himmel seyen flüssig?«
»Vielleicht doch nicht, vielleicht sind sie eher ein großer Wind ...«
»Siehst du! Auch du weißt nit ...«
»Je nun, also dieser Wind läßt alle Planeten um die Sonne kreisen, und zugleich läßt er die Sonne um sich selbst kreisen. So kommt es zu einem kleineren Wirbel, der den Mond um die Erde und die Erde um sich selbst kreisen läßt. Trotzdem kann man nicht sagen, daß die Erde sich bewegt, denn sie wird ja vom Wind bewegt. Es ist, wie wenn ich auf der Daphne schliefe und die Daphne würde derweil zu jener Insel dort im Westen fahren: dann würde ich zwar von einem Ort zu einem anderen wechseln, aber trotzdem könnte niemand sagen, daß mein Körper sich bewegt habe. Und was die Tagesumdrehung betrifft, die ist so, wie wenn ich auf einer großen Töpferscheibe säße, die sich drehte, wobei ich Euch natürlich abwechselnd das Gesicht und den Rücken zukehren würde, aber nicht ich wäre es, der sich bewegt, sondern eben die Scheibe.«
»Das ist die Hypothesis eines Schlaumeiers, der ketzerisch seyn, aber nit scheynen will. Doch nun sag mir, wo sollen dann bitte die Sterne seyn? Drehen sich auch Perseus und der gantze Grosse Bär in diesem Wirbel?«
»Die Sterne, die wir sehen, sind lauter Sonnen, jede im Zentrum eines eigenen Wirbels, und das ganze Universum ist ein großer Tanz von Wirbeln mit unendlich vielen Sonnen und noch unendlicher vielen Planeten, auch jenseits der Grenze, bis zu der unsere Augen sehen können, und jeder Planet hat
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