Die Insel Des Vorigen Tages
seine Bewohner!«
»Ah! Hab ichs mir doch gedacht! Das ist es, was ihr wollt, du und deine schlimmketzerischen Freunde: unendlich viele Welten!«
»Gestattet mir wenigstens mehr als eine. Wo hätte Gott sonst die Hölle hintun sollen? Nicht ins Erdinnere.«
»Warumb nit ins Erdinnere?«
»Aus folgendem Grunde«, und hier gab Roberto in groben Zügen ein Argument wieder, das er in Paris gehört hatte, und ich kann mich nicht für die Exaktheit seiner Rechnung verbergen. »Der Durchmesser des Erdinneren beträgt zweihundert italienische Meilen, und wenn wir das ins Kubik setzen, haben wir acht Millionen Kubikmeilen. Rechnet man, daß eine italienische Kubikmeile zweihundertvierzigtausend englische Kubikfuß enthält und daß der Herr einem jeden Verdammten wenigstens sechs Kubikfuß zugewiesen haben muß, dann könnte die Hölle alles in allem nicht mehr als vierzig Millionen Verdammte aufnehmen, was mir recht wenig vorkommt, wenn man bedenkt, wie viele böse Menschen von Adam bis zum heutigen Tage in dieser unserer Welt gelebt haben.«
»Das würde so seyn«, antwortete Pater Caspar, ohne sich zu einem Nachrechnen herabzulassen, »wann die verdammten Seelen mitsambt ihren Leibern in der Hölle säßen. Aber das geschieht erst nach der Auferstehung des Fleisches und dem Jüngsten Gericht! Und dann wird es weder die Erde noch die Planeten mehr geben, sondern andere Himmel und neue Erden!«
»Einverstanden, wenn es nur verdammte Seelen sind, können auch tausend Millionen auf einer Nadelspitze sitzen. Aber es gibt Sterne, die wir mit bloßem Auge nicht sehen können, jedoch mit Eurem Fernrohr. Nun sagt mir, meint Ihr nicht, daß Ihr mit einem hundertmal stärkeren Fernrohr noch andere Sterne sehen könntet, und mit einem tausendmal stärkeren noch viel weiter entfernte, und so ad infinitum ? Wollt Ihr der Schöpfung eine Grenze setzen?«
»In der Bibel ist davon keine Rede.«
»In der Bibel ist auch keine Rede von Jupiter, und doch habt Ihr ihn vorgestern abend mit Eurem verflixten Fernrohr betrachtet.«
Aber Roberto wußte schon, was der wirkliche Einwand des Jesuiten sein würde. Nämlich derselbe, der den Abbé an jenem Abend in Casale dazu gebracht hatte, sich mit Saint-Savin zu duellieren: daß es bei unendlich vielen Welten nicht mehr möglich ist, der Erlösung durch Christus noch einen Sinn zu geben, da man dann gezwungen wäre, sich entweder unendlich viele Golgathas vorzustellen oder unsere irdische Bleibe als einen privilegierten Ort im Kosmos zu betrachten, zu dem Gott seinen Sohn herabgesandt hätte, uns von der Sünde zu erlösen, während er den Bewohnern anderer Welten diese Gnade verweigert hätte, was im Widerspruch zu seiner unendlichen Güte stünde. Tatsächlich war dies die Antwort von Pater Caspar, was Roberto Gelegenheit gab, ihn erneut anzugreifen.
»Wann hat sich Adams Sündenfall ereignet?«
»Meine Mitbrüder haben anhand der Heyligen Schrifft perfecte mathematische Berechnungen angestellt Adam sündigte dreytausend neunhundert und vierundachtzig Jahre vor der Ankunfft Unseres HErrn.«
»Nun gut, vielleicht wißt Ihr nicht, daß die Reisenden, die nach China gelangt sind, darunter viele Eurer Mitbrüder, dort Listen der chinesischen Kaiser und Dynastien gefunden haben, aus denen hervorgeht, daß jenes Reich schon vor sechstausend Jahren existiert hatte, also vor Adams Sündenfall, und wenn das für China gilt, wer weiß für wie viele andere Völker auch. Somit betreffen der Sündenfall und die Erlösung am Kreuz und die schönen Wahrheiten unserer Heiligen Römischen Kirche, die sich daraus ergeben, nur einen Teil der Menschheit. Und es gibt einen anderen Teil, der nicht vom Sündenfall berührt worden ist. Das mindert keineswegs die unendliche Güte Gottes, der sich zu den Adamiten so gütig verhalten hat wie der Vater im Gleichnis vom Verlorenen Sohn zu ebendiesem, indem er seinen Eingeborenen Sohn allein für sie geopfert hat. Denn so wie jener Vater im Gleichnis das fette Kalb für seinen heimgekehrten sündigen Sohn schlachten ließ, aber deswegen seine guten und tugendhaften anderen Söhne nicht weniger liebte, so liebt auch unser Schöpfer ebenso zärtlich die Chinesen und alle anderen Völker, die vor Adam geboren sind, und freut sich, daß sie nicht in die Erbsünde gefallen sind.
Und wenn dies so auf der Erde geschehen ist, warum sollte es dann nicht auch auf den Sternen so geschehen sein können?«
»Wer hat dir denn dieß dumme Zeug erzählt?« erboste sich Pater
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