Die Insel Des Vorigen Tages
sein mögen, die Tauben sind auch ein recht tückisches Symbol, denn sie verzehren sich vor lauter Wollust: Sie verbringen den ganzen Tag damit, sich schnäbelnd zu küssen (wobei sie ihre Küsse verdoppeln, um sich gegenseitig zum Schweigen zu bringen), und dabei überkreuzen sie ihre Zungen, woher viele anzügliche Ausdrücke kommen, solche wie »turteln« und »sich Taubenküsse geben«, um es nach Art der Kasuisten zu sagen. Und »täubeln« sagen die Dichter, wenn sie das Liebemachen nach Art und Häufigkeit der Tauben ausdrücken wollen. Vergessen wir nicht, daß Roberto jene Verse gekannt haben müßte, die sinngemäß lauten: »Wenn im Bett, allwo in den ersten Gluten / weiße und wilde Gelüste schon ausbrechen müssen, / täubelnd einander zwei geile Herzen umfluten, / vereinen sie sich zwischen Küssen und Küssen. « Man bedenke, daß, während alle anderen Tiere eine Brunstzeit haben, es keine Zeit im Jahr gibt, in welcher der Täuberich nicht auf die Taube steigt.
Um einen Anfang zu machen: die Tauben kommen aus Zypern, der Insel, die der Venus heilig war.
Apuleius erzählt, aber nicht als erster, daß der Wagen der Venus von schneeweißen Tauben gezogen wird, die wegen ihrer maßlosen Geilheit auch Venus-Vögel genannt werden. Andere erinnern daran, daß die Griechen die Taube peristera nannten, weil der neidische Eros die Nymphe Peristera in eine Taube verwandelt hatte, nachdem sie - von Venus heiß geliebt - dieser geholfen hatte, ihn bei einem Wettstreit im Blumenpflücken zu besiegen. Doch was soll es heißen, daß Venus die Peristera »liebte«?
Aelianus sagt, daß die Tauben der Venus geweiht waren, weil auf dem Berg Erice in Sizilien ein Fest gefeiert wurde, wenn die Göttin nach Libyen hinüberzog; an jenem Tag sah man in ganz Sizilien keine Tauben mehr, weil alle übers Meer geflogen waren, um die Göttin zu begleiten. Aber nach neun Tagen traf in Trinacria, aus Libyen kommend, eine Taube ein, die rot wie das Feuer war, wie Anakreon sagt (und ich bitte diese Farbe zu beachten), und das war Venus persönlich, die eben darum auch »die Purpurne« hieß, und hinter ihr kam die Schar der anderen Tauben geflogen. Aelianus erzählt auch von einem Mädchen, Phytia geheißen, das von Jupiter geliebt und in eine Taube verwandelt worden war.
Die Assyrer stellten Semiramis in Gestalt einer Taube dar, denn Semiramis war von Tauben großgezogen und dann selbst in eine Taube verwandelt worden. Wie jeder weiß, war sie eine Frau von nicht untadeligem Lebenswandel, aber so schön, daß Skaurobates, der König von Indien, in einer verzweifelten Liebe zu ihr entbrannte, die eine Konkubine des Königs von Assyrien war, und es verging kein Tag, an dem sie ihm nicht untreu wurde, und der Historiker Iuba sagte, sie habe sich sogar in ein Pferd verliebt.
Jedoch einem Liebessymbol verzeiht man vieles, ohne daß es aufhört, die Dichter zu faszinieren, weshalb Petrarca sich fragte (und selbstverständlich hatte Roberto das gewußt): »welche Gnade, welche Liebe, welches Schicksal / gibt mir Federn nach Art der Taube?« Oder Bandello: »Dieser Täuberich, hitzig wie ich, / brennt glühend Amor in grausamem Feuer; / überall sucht er nach seiner Taube / und stirbt vor Verlangen nach ihr.«
Aber die Tauben sind noch etwas mehr als eine Semiramis, man verliebt sich in sie auch, weil sie diese andere liebreizende Eigenschaft haben, daß sie schluchzen oder seufzen anstatt zu singen, als ob sie trotz aller befriedigten Leidenschaft niemals genug kriegen könnten. Idem cantus gemitusque , »Gesang und Seufzen sind dasselbe«, lautete eine Devise von Camerarius, Gemitibus Gaudet , »Durch Seufzer froh«, eine andere, noch raffinierter erotische. Zum Verrücktwerden.
Und doch ist die Tatsache, daß diese Vögel sich küssen und so lüstern sind - und dies ist ein schöner Widerspruch, der die Tauben kennzeichnet -, auch ein Beweis dafür, daß sie sehr treu sind, und deswegen sind sie gleichzeitig auch ein Symbol der Keuschheit, jedenfalls im Sinne der ehelichen Treue.
Und das sagte bereits Plinius: Obgleich sehr auf Liebe erpicht, sind die Tauben auch sehr schamvoll und kennen keinen Ehebruch. Ihre eheliche Treue bezeugen sowohl der Heide Properz wie Tertullian. Es heißt zwar, daß in den seltenen Fällen, in denen sie ihre Gefährtin des Ehebruchs verdächtigen, der Täuberich gewalttätig wird, daß seine Stimme dann voller Klagen ist und er grausame Hiebe mit dem Schnabel austeilt. Aber gleich darauf macht er, um
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