Die Insel Des Vorigen Tages
Insel steht. Daraus zieht er sogar einen Trost, insofern es - sagt er sich - ja respektlos gewesen wäre, die Reinheit jenes Ortes durch eine Maschine zu beflecken. Und er beginnt wieder, an eine Insel nach seinem Maß zu denken, oder besser gesagt nach dem Maß seiner Träume.
Wenn die Insel in der Vergangenheit lag, war sie der Ort, den er um jeden Preis erreichen mußte. In jener aus den Fugen gegangenen Zeit mußte er zum Dasein des ersten Menschen nicht zurückfinden, sondern es sich neu erfinden. Nicht Wohnstatt einer Quelle ewiger Jugend, sondern selber die Quelle, konnte die Insel der Ort sein, wo jeder Mensch sein verdorbenes Wissen vergessen würde, um wie ein im Wald ausgesetztes Kind eine neue Sprache zu finden, die sich aus einem neuen Kontakt mit den Dingen ergab. Und mit ihr würde die einzige wahre und neue Wissenschaft entstehen, aus der unmittelbaren Naturerfahrung, ohne daß irgendeine Philosophie sie verfälschte (als wäre die Insel nicht der Vater, der dem Sohn die Worte des Gesetzes weitergibt, sondern die Mutter, die ihn die ersten Namen zu stammeln lehrt).
Nur so würde ein wiedergeborener Schiffbrüchiger die Gebote entdecken können, die den Lauf der Himmelskörper lenken, und den Sinn der Akrosticha, die sie in den Himmel zeichnen: nicht indem er über Almagesten und Astrologiebüchern grübelt, sondern indem er direkt das Vorkommen der Eklipsen, den Durchzug der silberhaarigen Meteore und die Sternphasen liest. Nur durch das Nasenbluten wegen einer heruntergefallenen Frucht würde er mit einem Schlag die Gesetze sowohl der Schwerkraft wie auch die der Regungen des Herzens und des Blutes in den Lebewesen begreifen. Nur durch die Beobachtung der Oberfläche eines Teiches, in den er einen Zweig eintaucht, ein Rohr, eines jener langen starren Metallblätter, würde der neue Narziß - ohne irgendwelche Grübeleien über Dioptrik und Sklaterik - den ewigen Zweikampf von Licht und Schatten erfassen. Und vielleicht würde er auch begreifen, warum die Erde ein trüber Spiegel ist, der mit Tinte bepinselt, was er reflektiert, und das Wasser - eine Wand, die den Schatten, der auf sie fällt, durchsichtig macht, während in der Luft die Bilder nie eine Fläche finden, von der sie abprallen können, und daher ungehindert immer weiter fliehen, bis zu den äußersten Grenzen des Äthers, es sei denn, sie kehren in Form von Luftspiegelungen und anderem Blendwerk zurück.
Aber hieß die Insel besitzen nicht Lilia besitzen? Also wie nun? Robertos Logik war nicht die jener in den Vorhof der Schule eingedrungenen sturköpfigen und verbohrten Philosophen, die wollten, daß etwas, wenn es soundso ist, nicht zur gleichen Zeit auch genau umgekehrt sein kann. Durch einen Irrtum, will sagen ein Umherirren der Phantasie, wie es gerade für Liebende charakteristisch ist, wußte Roberto bereits, daß der Besitz der Geliebten zugleich die Quelle jeglicher Offenbarung sein wurde. Die Gesetze des Universums durch ein Fernrohr zu entdecken schien ihm nur der längere Weg zu einer Wahrheit, die sich ihm im blendenden Licht der Lust offenbaren würde, wenn er den Kopf in den Schoß der Geliebten legte, in einem Garten, in dem jeder Strauch ein Baum der Erkenntnis wäre.
Nun beschwört jedoch - wie auch wir wissen müßten - das Verlangen nach etwas, das fern ist, immer auch das Gespenst eines jemand herauf, der es uns wegnimmt, und deshalb mußte Roberto befürchten, daß sich in die Wonnen jenes Paradieses eine Schlange eingenistet hatte. So wurde er von dem Gedanken gepackt, auf der Insel erwarte ihn, ein schnellerer Usurpator, Ferrante.
Vom Ursprung der Romane
Liebende lieben ihre Leiden mehr als ihre Freuden. Roberto konnte sich nur als einen vorstellen, der für immer von der geliebten Person getrennt war, doch je mehr er sich von ihr getrennt fühlte, desto mehr quälte ihn der Gedanke, daß ein anderer es womöglich nicht war.
Wir haben gesehen, daß er, als er von Mazarin beschuldigt wurde, an einem Ort gewesen zu sein, wo er nie gewesen war, sich in den Kopf gesetzt hatte, Ferrante müsse in Paris sein und bei mehreren Gelegenheiten seinen Platz eingenommen haben. Wenn das stimmte, dann war Roberto verhaftet und auf die Amarilli geschickt worden, aber Ferrante war noch in Paris und war für alle (auch für Lilia!) Roberto. Mithin blieb Roberto nichts anderes übrig, als sich Lilia an der Seite Ferrantes vorzustellen, und so verwandelte sich ihm sein südseeisches Fegefeuer in eine Hölle.
Er wußte, daß
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