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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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bestanden hätten, daß er den Namen des Herrn gerade unnütz im Munde führte: Das Fluchen war eine von den Bauern übernommene schlechte Angewohnheit, und es galt unter den Landadligen im Monferrat als ein Zeichen der Lässigkeit, in Gegenwart von ihresgleichen wie ihre Leibeigenen zu reden.
    »Siehst du, mein Sohn«, schloß der Beichtvater, »dein Vater ist gestorben, während er eine jener Großen & Edlen Taten vollführte, für welche man, wie es heißt, ins Paradies der Helden eingeht. Nun glaube ich zwar nicht, daß ein solches Paradies existiert, und halte dafür, daß im Reiche des Himmels in Heiliger Eintracht Bettler & Souveräne, Helden & Feiglinge zusammensetzen, aber sicherlich wird Gott der HErr deinem Vater nicht Sein Reich verweigert haben, nur weil ihm die Zunge ein wenig ausgerutscht ist in einem Moment, da er eine Große Tat vorhatte, ja ich wage sogar zu behaupten, daß in solchen Momenten ein solcher Ausruf auch eine Art & Weise sein kann, Gott den HErrn zum Zeugen & Richter der eigenen Großtat anzurufen. Also wenn es dich wirklich noch grämt, so sprich ein Gebet für die Seele deines Erzeugers & laß ihm ein paar Messen lesen, nicht um den HErrn zu einer Revision seines Urteils zu veranlassen, denn er ist kein Fähnlein, das sich drehet, je nachdem, wie die Betschwestern blasen, sondern um deiner Eigenen Seele etwas Gutes zu tun.«
    Alsdann erzählte ihm Roberto von den aufrührerischen Reden, die er sich angehört hatte, und der Pater breitete resigniert die Arme aus: »Mein Sohn, ich weiß nur wenig von Paris, doch das Wenige, was ich von dorten höre, lehret mich, wie viele Unvernünftige, Ehrgeizige, Renegaten, Spione und Intriganten in jenem Neuen Sodom leben. Und darunter sind Falsche Zeugen, Altardiebe & Kreuzesschänder, Lästerer, die den Bettlern Geld dafür geben, daß sie Gott leugnen, ja sogar Leute, die zum Hohne ihre Hunde getauft haben ... Und das nennen sie dann der Mode der Zeit folgen. In den Kirchen spricht man keine Gebete mehr, sondern man Spazieret umher, man Lacht, man versteckt sich hinter den Säulen, um den Damen Nachzustellen, und es ist ein Unaufhörlich Lärmen & Rumoren selbst während der Elevatio.
    Sie geben vor zu Philosophieren, & sie Bestürmen dich mit Allerley Maliziösem Warum, Warum hat Gott der Welt Gesetze gegeben, Warum ist die Unzucht Verboten, Warum ist Gottes Sohn Fleisch geworden, & sie verdrehen Dir jede Antwort zu einem Beweise des Atheismus. Hier hast du die Schöngeister Unserer Zeit: Epikureer, Pyrrhonisten, Diogenesianer & Libertins! Drum sollstu dein Ohr nicht leihen jenen Verführer reden, denn sie kommen vom Bösen.«
    Gewöhnlich spickt Roberto seine Briefe nicht so mit Majuskeln, wie es die Schreiber seiner Zeit gerne taten; doch wenn er Reden und Aussprüche von Pater Emanuele wiedergibt, häufen sie sich, als hätte der Pater die besondere Würde der betreffenden Worte und Begriffe nicht nur beim Schreiben hervorgehoben, sondern auch beim Sprechen hörbar gemacht - ein Zeichen dafür, daß er ein Mann von großer und mitreißender Eloquenz gewesen sein muß. Tatsächlich fühlte Roberto sich von seinen Worten derart beruhigt, daß er nach der Beichte noch ein wenig mit ihm plaudern wollte. So erfuhr er, daß der Pater ein savoyischer Jesuit war und sicher kein kleines Kirchenlicht, denn er residierte in Casale als offizieller Beobachter im Auftrag des Herzogs von Savoyen - so etwas konnte es in jenen Zeiten bei einer Belagerung geben.
    Pater Emanuele erfüllte seinen Auftrag nicht ungern, sagte er. Die Trübsinnigkeit einer Belagerung gebe ihm Muße, sich seinen Studien zu widmen, die im Trubel einer Hauptstadt wie Turm kaum möglich seien.
    Und gefragt, womit er sich denn beschäftige, sagte er, daß er dabei sei, ähnlich den Astronomen ein Fernrohr zu konstruieren.
    »Sicher hast du von jenem Florentiner Astronomen gehört, der zur Erklärung des Universums das Fernrohr benutzte, eine Hyperbel der Augen, um mit dem Fernrohr zu Sehen, was die Augen sich nur hatten Vorstellen können. Ich habe große Achtung für diesen Gebrauch von Mechanischen Instrumenten zum Verständnis der, wie man heute zu sagen pflegt, Ausgedehnten Dinge. Doch um das Denkende Ding zu verstehen, soll heißen die Art & Weise, wie wir die Welt Erkennen, können wir nur ein Anderes Fernrohr benutzen, und zwar ebenjenes, das auch Aristoteles benutzt hat und das weder Rohr noch Linse ist, sondern Verknüpfung von Worten und Scharfsinnige Idee, denn nur die

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