Die Insel Des Vorigen Tages
anreden? Vielleicht: He du, Casalisches Hürchen?«
»Puta de los franceses« , murmelte Roberto unwillkürlich, erschrocken, daß Saint-Savin, sei’s auch nur im Spiel, so nahe wenn nicht der Wahrheit, so jedenfalls der Beschimpfung gekommen war.
»Was habt Ihr gesagt?«
»Nichts. Ist gut. Signora. Und weiter?«
»Signora, in der wunderbaren Architektur des Universums stand bereits seit dem ersten Tage der Schöpfung geschrieben, daß ich Euch begegnen und lieben würde. Doch seit der ersten Zelle dieses Briefes fühle ich schon, wie meine Seele sich derart heftig verströmt, daß sie meine Lippen und meine Feder alleingelassen haben wird, noch bevor ich zum Ende gekommen sein werde.«
»... gekommen sein werde. - Aber ich weiß nicht, ob das verständlich ist für ...«
»Das Wahre wird um so höher geschätzt, je mehr es mit Schwierigkeiten gespuckt ist, und am höchsten geschätzt wird die Enthüllung, die uns viel gekostet hat. Heben wir lieber den Ton noch ein wenig. Sagen wir also ... Signora ...«
»Noch mal?«
»Ja, noch mal: Signora, eine Dame, schön wie Alcidiane, bedurfte ohne Zweifel, gleich jener Heroine, einer uneinnehmbaren Bleibe. Mir scheint, Ihr seid durch Zauber an einen andern Ort versetzt worden, und Euer Reich hat sich in eine zweite Schwimmende Insel verwandelt, die der Wind meiner Seufzer vor mir zurückweichen läßt, je näher ich ihr zu kommen versuche, ein Reich bei den Antipoden, ein Land, das zu betreten uns Eisberge hindern ... Ich sehe Euch ratlos, La Grive: ist Euch das noch zu mittelmäßig
»Nein, es ist ... ich würde das Gegenteil sagen.«
»Habt keine Angst«, sagte Saint-Savin ihn mißverstehend, »es wird nicht an kontrapunktischem Gegenteil fehlen. Fahren wir fort: Vielleicht geben Eure Liebreize Euch ja das Recht, in der Ferne zu bleiben, wie es sich für Götter geziemt. Doch wißt Ihr nicht, daß die Götter zumindest den Rauch der Brandopfer, die wir ihnen hienieden darbringen, huldvoll entgegennehmen? Also weist meine Anbetung nicht zurück; denn da Ihr Schönheit und Glanz in höchstem Grade besitzet, würdet Ihr mich zur Gottlosigkeit verurteilen, wenn Ihr mich hindertet, in Eurer Person zwei der erhabensten Attribute Gottes zu verehren ... Klingt es so besser?« Inzwischen dachte Roberto, daß die einzige Frage nur noch war, ob die Empfängerin lesen konnte. Einmal über diese Schwelle hinausgelangt, würde sie sich an jedem weiteren Wort, das sie läse, gewiß so berauschen, wie er sich beim Schreiben daran berauschte.
»Mein Gott«, sagte er, »den Verstand müßte sie verlieren.«
»Sie wird ihn verlieren. Schreibt: Weit entfernt, mein Herz verloren zu haben, als ich Euch meine Freiheit darbrachte, finde ich es im Gegenteil seit jenem Tage vergrößert, ja derart vervielfacht, daß es, als würde mir eines allein nicht genügen, um Euch zu lieben, sich allenthalben in mir wiederholt und ich es in jeder meiner Adern klopfen höre.«
»O Gott ...«
»Bleibt ruhig. Ihr seid dabei, über die Liebe zu reden, nicht zu lieben. Weiter: Verzeiht, Signora, den Furor eines Verzweifelten, oder besser noch, beachtet ihn gar nicht. Nie hat man gehört, daß Herrscher vom Tod ihrer Sklaven Notiz nehmen mußten. Ja, ich muß mein Schicksal als beneidenswert erachten, dafür daß Ihr Euch überhaupt die Mühe gemacht, meinen Ruin zu verursachen. Geruht Ihr mich wenigstens zu hassen, so wird mir das sagen, daß ich Euch nicht gleichgültig bin. Und so wird mir der Tod, mit dem Ihr mich zu strafen glaubt, ein Grund zur Freude sein. Jawohl, der Tod: Wenn Liebe heißt, zu begreifen, daß zwei Seelen dazu geschaffen sind, eins zu werden, so bleibt der einen, wenn sie sich gewahr wird, daß die andere nichts empfindet, nur noch zu sterben. Dies ist es, was - indes ich noch lebe und um ein weniges auch mein Körper - meine Seele, sich von ihm ablösend, Euch kundtut.«
»- von ihm ablösend Euch - ?«
»Kundtut.«
»Laßt mich Atem holen. Mir schwirrt der Kopf ...«
»Ruhig Blut. Verwechselt die Liebe nicht mit der Kunst.«
»Aber ich liebe sie doch! Ich liebe sie!«
»Ich nicht. Deshalb habt Ihr Euch mir anvertraut. Denkt nicht an sie, wenn Ihr schreibt. Denkt meinetwegen an Herrn de Toiras ...«
»Ich bitte Euch!«
»Macht nicht so ein Gesicht. Er ist doch ein stattlicher Mann. Aber jetzt schreibt: Signora ...«
»Noch einmal?«
»Noch einmal. Signora, darüber hinaus bin ich verurteilt, blind zu sterben. Habt Ihr nicht aus meinen Augen zwei Brennkolben
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