Die Insel Des Vorigen Tages
gleichen Blödheit, mit welcher der Fischer der Nichtgefundenen Insel, jenseits des letzten Horizonts der Kanarien, nichtsahnend die seltenste aller Perlen ins Meer wirft ...
Sie in anderen liebenden Händen... Dieser Gedanke war der höchste Rausch, in dem Roberto sich wand, winselnd über seine stechende Ohnmacht. Und in seiner Raserei auf dem Tisch umhertastend, wie um wenigstens einen Rockzipfel zu erhaschen, glitt sein Blick von der Darstellung jenes sanft gewellten Pazifischen Leibes zu einer anderen Karte, auf welcher der unbekannte Autor vielleicht versucht hatte, die feuerhaltigen Gänge und Schlote der Vulkane des westlichen Landstriches darzustellen: Es war eine Karte unserer ganzen Erdkugel, rings umgeben von helmbuschförmigen Rauchsäulen auf den Gipfeln der Auswüchse aus der Kruste und im Innern ein Gewirr von dürren Adern; und von dieser Erdkugel fühlte Roberto sich auf einmal als das lebende Abbild, röchelnd spie er Lava aus jeder Pore, stieß die Lymphe seiner unerfüllten Befriedigung aus und verlor schließlich das Bewußtsein - zerstört von ausgetrockneter Wassersucht (schreibt er) - über jenem so innig herbeigesehnten Australleib.
Traktat der Wissenschaft von den Waffen
Auch in Casale hatte er von offenen Räumen und von jener weiten Mulde geträumt, in der er das Mädchen zum erstenmal gesehen hatte. Aber auf der Daphne war er nicht mehr krank, und so dachte er nun luzider, daß er sie nie wiedersehen würde, weil er bald tot sein würde - oder weil sie längst tot war.
Tatsächlich lag er damals gar nicht im Sterben, sondern wurde langsam wieder gesund, aber das war ihm nicht bewußt, und er verwechselte die Schwächlichkeiten der Rekonvaleszenz mit dem Schwinden des Lebens. Saint-Savin kam ihn oft besuchen, berichtete ihm die Neuigkeiten, wenn Pater Emanuele da war (der ihn ansah, als sei er im Begriff, ihm die Seele des jungen Mannes zu rauben), und wenn der Pater dann gehen mußte (denn im Kloster häuften sich die Verhandlungen), sprach er als Philosoph über Leben und Tod.
»Lieber Freund, Spinola liegt im Sterben. Ihr seid schon eingeladen zu den großen Festlichkeiten, die wir bei seinem Abgang veranstalten werden.«
»Lieber Freund, nächste Woche werde auch ich gestorben sein ...«
»Das stimmt nicht, ich würde das Gesicht eines Sterbenden erkennen. Aber ich werde mich hüten, Euch vom Gedanken an den Tod abzubringen. Im Gegenteil, nutzt Eure Krankheit, um Euch dieser guten Übung zu unterziehen.«
»Monsieur de Saint-Savin, Ihr redet wie ein Priester.«
»Keineswegs. Ich sage ja nicht, daß Ihr Euch auf ein anderes Leben vorbereiten sollt, sondern daß Ihr dieses einzige, das Euch gegeben ist, gut nutzen sollt, um dann, wenn er kommt, den einzigen Tod anzunehmen, den Ihr jemals erleben werdet. Über die Kunst des Sterbens muß man sich im voraus und viele Male Gedanken machen, damit es einem dann das eine Mal, wenn es soweit ist, gut gelingt.«
Roberto wollte aufstehen, aber Pater Emanuele hinderte ihn daran, weil er nicht glaubte, daß er schon wieder bereit sei, in den Kriegslärm zurückzukehren. Roberto gab ihm zu verstehen, daß er ungeduldig darauf brenne, eine gewisse Person wiederzufinden. Pater Emanuele fand es dumm, daß sein so geschwächter Körper sich vom Gedanken an einen anderen Körper verzehren ließ, und versuchte, ihm das weibliche Geschlecht verachtenswert erscheinen zu lassen: »Diese eitle Weiberwelt«, sagte er, »die gewisse moderne weibliche Atlasse auf dem Rücken tragen, dreht sich um die Unehre und hat als Wendekreise die Zeichen des Krebses und des Steinbocks. Der Spiegel, der ihr Erster Antrieb ist, ist niemals so trübe, wie wenn er die Sterne jener lasziven Augen spiegelt, die durch die von verblödeten Liebhabern ausströmenden Dämpfe zu Kometen geworden sind, welche der Ehrbarkeit baldiges Unheil künden.«
Roberto fand keinen Gefallen an der astronomischen Allegorie, auch konnte er die Geliebte nicht im Bilde jener mondänen Hexen wiedererkennen. Er blieb im Bett liegen, strömte aber noch stärker die Dämpfe seiner Verliebtheit aus.
Andere Nachrichten erreichten ihn unterdessen von Signor della Saletta. Die Casaler überlegten, ob sie den Franzosen nicht Zugang zur Zitadelle gewähren sollten; sie hatten inzwischen begriffen, daß man, um den Feind draußen zu halten, die Kräfte vereinigen mußte. Aber Signor della Saletta ließ durchblicken, daß die Casaler, während sie demonstrativ kollaborierten und die Stadt kurz vor
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