Die Insel Des Vorigen Tages
wollen, doch als Roberto an jenem Abend d’Igby zu seiner Herberge zurückbegleitete, wurde ihm klar, daß der Mann Schwierigkeiten hatte, sich in gutem Italienisch auszudrücken, obwohl er auf der Apenninenhalbinsel gereist war, und daß er sich schämte, eine für jeden gebildeten Menschen so unverzichtbare Sprache nicht ausreichend zu beherrschen. Sie beschlossen, sich wiederzusehen und sich gegenseitig in der jeweiligen Muttersprache beredter zu machen.
So war eine solide Freundschaft zwischen Roberto und jenem Manne entstanden, der sich als reich an medizinischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen erwies.
Er hatte eine schreckliche Kindheit gehabt. Sein Vater war in die sogenannte Pulververschwörung verwickelt gewesen und hingerichtet worden. In ungewöhnlicher Koinzidenz, oder vielleicht infolge unergründlicher Seelenregungen, hatte d’Igby daraufhin beschlossen, sein Leben der Ergründung eines anderen Pulvers zu widmen. Er war lange auf Reisen gewesen, erst acht Jahre in Spanien, dann drei in Italien, wo er, weitere Koinzidenz, Robertos karmelitischen Hauslehrer kennengelernt hatte.
Wie seine Korsarensünden es mit sich brachten, war d’Igby auch ein guter Fechter, und schon nach wenigen Tagen sollte er sich mit Roberto im Klingenkreuzen vergnügen. An dem betreffenden Tage war auch ein Musketier dabei, der begonnen hatte, sich mit einem Fähnrich der Kadettenkompanie zu messen; es war nur zum Spaß, und die Fechter achteten sehr darauf, sich nicht zu verletzen, aber nach einer Weile hatte der Musketier einen etwas zu ungestümen Ausfall versucht, so daß der Gegner zu einer Reaktion mit der Schneide gezwungen war, und hatte eine recht häßliche Wunde am Oberarm abbekommen.
D’Igby hatte sie sofort mit einem seiner Kniebänder verbunden, um die Blutung zu stillen, aber nach wenigen Tagen drohte sie brandig zu werden, und der Chirurg sagte, man müsse den Arm amputieren.
An diesem Punkt hatte d’Igby seine Dienste angeboten, wobei er gleich warnend darauf hinwies, daß man ihn als einen Betrüger oder Zauberer würde betrachten können, weshalb er alle bat, ihm Vertrauen zu schenken. Der Musketier, der nicht mehr wußte, an welchen Heiligen er sich noch wenden sollte, antwortete mit einem spanischen Sprichwort: Hagase el milagro, y hagalo Mahoma - Hauptsache, das Wunder wirkt, und sei’s von Mohammed getürkt!
Da bat ihn d’Igby um ein Stückchen Stoff, das mit Blut aus der Wunde getränkt war, und der Musketier gab ihm einen Lappen, mit dem er sie bis zum vorigen Tag verbunden hatte. D’Igby ließ sich eine Schüssel Wasser bringen und schüttete eine Handvoll Vitriolpulver hinein, das sich rasch auflöste. Dann legte er den Lappen in die Schüssel. Mit einemmal fuhr der Musketier, der sich zwischendurch anderweitig beschäftigt hatte, überrascht zusammen, griff sich an den verwundeten Arm und sagte, der brennende Schmerz habe plötzlich nachgelassen, ja er spüre sogar eine angenehme Kühlung auf der Wunde.
»Gut«, sagte d’Igby, »Jetzt braucht Ihr die Wunde bloß noch sauberzuhalten, indem Ihr sie jeden Tag mit Salzwasser auswascht, so daß sie den richtigen Einfluß empfangen kann. Und ich werde diese Schüssel bei Tag ans Fenster stellen und bei Nacht an den Kamin, so daß sie stets eine wohltemperierte Wärme behält.«
Da Roberto die plötzliche Besserung auf irgendwelche anderen Ursachen zurückführen wollte, nahm d’Igby mit verständnisvollem Lächeln den Lappen aus der Schüssel, wrang ihn aus und trocknete ihn am Kamin, und sogleich fing der Musketier wieder an zu klagen, so daß der Lappen rasch wieder in die Lösung gelegt werden mußte.
Innerhalb einer Woche war die Wunde des Musketiers geheilt.
Ich glaube, daß in einer Epoche, in der man Desinfektionen nur sehr oberflächlich vornahm, allein schon die tägliche Auswaschung der Wunde ein hinreichender Grund zu ihrer Heilung war, aber man kann es Roberto nicht verdenken, wenn er die nächsten Tage damit verbrachte, den Freund über die seltsame Kur auszufragen, zumal sie ihn an die Wundertat des Karmeliters erinnerte, die er als Kind miterlebt hatte. Nur hatte der Karmeliter damals das Pulver auf die Waffe gestreut, welche die Wunde geschlagen hatte.
»Tatsächlich«, erklärte d’Igby, »wird die Debatte über das unguentum armarium schon seit geraumer Zeit geführt, und als erster hatte der große Paracelsus davon gesprochen. Viele benutzen eine fette Salbe und behaupten, daß sie besser auf die Waffe
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