Die Insel: (Inseltrilogie #1) (German Edition)
bin mit Andy allein.
„Wir machen es heute Nacht“, teilt Andy mir mit sehr ernsten Gesichtsausdruck mit. „Ich ziehe alle Aufmerksamkeit auf mich und sage allen, was Saul getan hat.“
„Was ist dein Plan?“
„Colin wird mir helfen. Er wird Sauls Leute ablenken. Sie stehen immer auf beiden Seiten der Terrasse des Herrenhauses Wache, wenn Saul eine seiner Reden hält, damit keiner an ihn heran kann. Aber ich will Saul von dort weg haben, damit ich selbst dort stehen kann. Damit ich den Jugendlichen die Schrift zeigen kann, ihnen daraus vorlesen kann.“
Es schüttelt mich. „Du bist wirklich mutig. Er wird dich umbringen.“
In Andys Augen glitzert Vorfreude. „Nein, wird er nicht. Wenn ich meine Sache richtig mache, werden sie ihn umbringen, nachdem ich ihnen gesagt habe, was er uns alles an Lügen aufgetischt hat.“
„Ich hoffe wirklich, du hast recht.“
Andy nickt und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Leia, du bist wunderbar. Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir zu danken, aber du hast das Mutigste getan. Du hast die Schrift gestohlen. Dank dir muss Saul nun seine imaginäre Krone abtreten.“
Ich platze fast vor Stolz. Ich bin vielleicht nicht die geschickteste Überlebenskünstlerin, aber immerhin kann man sich auf mich verlassen, wenn man eine Rebellion anzetteln will.
„Gern geschehen“, nuschle ich.
„Bis nachher bei der Versammlung.“ Andy macht einen Schritt rückwärts und verlässt dann die Hütte, um zu seiner eigenen Behausung zu gehen.
Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als ich nach ihm aus der Hütte trete. Ich mache mich auf zur Küche. Die beiden Körbe voller Essbarem türmen sich in meinen Armen. Ich bin schon jetzt nervös wegen heute Nacht, dabei ist es noch nicht mal dunkel. Mein Magen knurrt, aber ich bin viel zu aufgewühlt, um irgendetwas essen zu wollen. Ab und an wandern meine Augen umher auf der Suche nach Colin, aber es ist niemand da. Sie sind wohl alle unterwegs: jagen, fischen oder ernten. Das Getreide auf den Feldern war gestern schon teilweise reif.
Als ich das Haus betrete, höre ich Stimmen am Ende des Flurs. Saul und Ben kommen gerade aus dem alten Speise saal des Herrenhauses. Die lange Tafel darin bietet bis zu zwanzig Leuten Platz. Als Colin und ich noch Zugang zu allen Räumen hatten, haben wir uns oft vorgestellt wie unsere Vorväter hier Dinnerparties gefeiert haben, alle gemeinsam. Neffen, Nichten, Kinder und Enkelkinder – alle, die dieser Insel Leben gegeben haben. Schwerter hängen an der Wand über dem Kamin und auch wenn diese kein Licht ausstrahlen wie die von Luke und Leia auf dem Einband der Schrift, bin ich mir ziemlich sicher, dass diese Waffen ihnen gehört haben.
Ich frage mich, was Ben und Saul dort drin gemacht haben. Niemand geht heute noch in dieses Zimmer.
„Hey, Mannsweib“, ruft Ben den Flur entlang zu mir. „Wo ist deine süße Freundin?“
Ich spanne meinen Kiefer an. Wie ich mir wünschen würde, dieses kleine Arschgesicht vors Schienbein treten zu können und all diese Wurzeln über seinen jämmerlichen Kopf zu kippen – aber das sollte ich wirklich nicht. Er wird sein e gerechte Strafe heute Abend bekommen.
„Sie ist mit Andy fischen gegangen“, antworte ich und sehe ihm dabei nicht in die Augen.
„Hmm“, sagt Saul. „Wenn sie wiederkommt, sag ihr doch, sie soll zu meinem Bruder kommen. Er hat eine Überraschung für sie.“ Sein Lächeln ist voller bösartiger Genugtuung.
Ich kann nicht anders als mich insgeheim diebisch zu freuen, wenn ich daran denke, was für einen Schlag Bens Ego heute Abend wird einstecken müssen, sobald er bemerkt, dass Mara weg ist. Es wird sehr viel mehr wehtun als der Schlag auf seine schiefe Nase. Ich lächle ganz süß. „Natürlich, Saul. Mach ich.“
Ich schlüpfe an ihnen vorbei in die Küche. Meine Hände zittern, als ich die Körbe auf den Tisch stelle, und sie hören erst auf, als ich hinüber zum Brunnen gehe, um Wasser zum Gemüsewaschen hochzuziehen. Dieser ganze Alptraum wird bald vorbei sein. Ich habe es all die Jahre ertragen – ich kann mich wohl noch ein paar Stunden zusammenreißen.
***
Als es Abend wird, helfe ich den anderen, als sie die Kerzen zum Erleuchten der Terrasse aufstellen. Saul bellt uns Befehle zu, wir sollen auch zu beiden Seiten der Treppe Kerzen aufstellen, entlang der weißen Blumen, die einige andere Mädchen gesammelt haben.
„Was zum Geier hat er vor?“, flüstert Padma neben mir, während sie eine große Kerze mit
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