Die Insel - Roman
ich seinen entstellten, verstümmelten Leichnam, wie er behände die glatte Felswand hinaufkletterte und mit einem grässlichen Grinsen auf seinem zerschlagenen Gesicht hinter mir herkam.
Unsinn. Aber so ist das nun mal. Wenn man erst mal so ein gruseliges Zeug im Kopf hat, wird man es so schnell nicht wieder los.
In meinem Bestreben, möglichst schnell von der Schlucht wegzukommen, verlief ich mich und irrte eine Weile orientierungslos herum, wobei ich ständig Angst hatte, dass hinter jedem Busch und jedem Felsblock ein zähnefletschender Matt hervorspringen könnte (ich weiß, ich hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber so ist es nun einmal, wenn man Angst hat). Als ich schließlich den Bach erreichte, der mich zum Wasserfall und zur Lagune führen würde, war ich sehr erleichtert.
Als ich mir sicher war, dass Matt mich nicht mehr verfolgte, dachte ich wieder an meine Frauen. Seit ich an der
Schlucht gewesen war, hatte ich ein relativ gutes Gefühl dabei.
Gut, sie konnten tot sein.
Aber irgendwie bezweifelte ich das jetzt.
Keine Leichen am Schauplatz des Kampfes. Kein Blut.
Es kam mir jetzt immer wahrscheinlicher vor, dass die drei noch am Leben waren.
Man nimmt jemanden nur dann gefangen, wenn man auch will, dass er am Leben bleibt. Sonst macht man sich nicht die Mühe, ihn zu fesseln, und geht auch nicht das Risiko ein, dass er sich später gewaltsam befreit und einen dabei womöglich umbringt.
Als ich den Wasserfall erreichte, war ich mir ziemlich sicher, dass meine drei Frauen noch am Leben waren und dass es mir gelingen würde, sie zu retten.
Das war ein tolles Gefühl!
So toll, dass ich am liebsten über den Wasserfall nach unten gesprungen wäre, obwohl ich genau wusste, dass dort das Wasser der Lagune höchstens hüfttief war.
Weil mich die diversen Stürze in der letzten Zeit genügend mitgenommen hatten, verkniff ich mir das Erlebnis und kletterte neben dem Wasserfall zur Lagune hinab. Dort angekommen, hielt ich auf einem flachen Felsen kurz inne, überprüfte, ob das Rasiermesser sicher in meiner Socke steckte und rollte Connies Badetuchweste sorgfältig zusammen.
Ich ging ins Wasser und schwamm ans andere Ufer. Dabei hielt ich die Weste mit einer Hand über meinen Kopf und legte sie auf den Felsen, auf dem ich vorhin schon meine Shorts deponiert hatte.
Die nächsten fünfzehn Minuten verbrachte ich äußerst angenehm. Ich schwamm in die Lagune hinaus, ließ mich
entspannt auf dem Rücken treiben und genoss es, wie das weiche, warme Wasser an meinem Körper entlangglitt. Nach wie vor empfand ich es als ein magisches Element, in dem ich, wenn ich wollte, Teile von mir oder auch meinen ganzen Körper unsichtbar machen konnte, und eine Zeit lang kam es mir so vor, als ob ich im Wasser ein wunderbares, neues Zuhause gefunden hätte.
Ich überlegte mir sogar, ob ich das Lager am Strand nicht aufgeben und fortan am Ufer der Lagune leben sollte.
Drüben am nördlichen Ufer entdeckte ich eine Stelle, wo eine Felsplatte von der Größe eines Esstischs in leichter Schräge hinab ins Wasser führte. Vermutlich hatte ich sie schon vorher gesehen, ihr aber keine Beachtung geschenkt. Jetzt aber stach sie mir ins Auge, weil sie vom Mondlicht beschienen wurde und sich damit wie ein kleines, glitzerndes Schneefeld deutlich vom dunklen Ufer abhob.
Ich bekam große Lust, auf sie hinaufklettern, mich hinzulegen und ein Bad im Mondlicht zu nehmen.
Also schwamm ich hinüber und watete, als das Wasser seicht genug war, an Land.
Als mir das Wasser nur noch bis zu den Hüften reichte, verfing sich mein rechter Fuß in einer weichen, glitschigen Masse am Boden der Lagune. Ich kam ins Straucheln und fiel hin, und erst als ich der Länge nach im Wasser lag, gelang es mir, meinen Fuß wieder zu befreien.
Ich rappelte mich auf und sah mich um. Rings um mich sah ich nichts als schwarzes Wasser, auf dem an manchen Stellen das Mondlicht glitzerte.
Und dann kam mir langsam ein Verdacht, was mich zu Fall gebracht haben könnte.
Ein grässlicher Verdacht. Obwohl mir ein kalter Schauder den Rücken herunterlief, musste ich mich vergewissern, ob meine Vermutung zutraf.
Ich holte tief Luft und beugte mich vor, bis mein Oberkörper ins Wasser eintauchte und ich mit den Händen den Boden der Lagune abtasten konnte.
Es dauerte eine Weile, bis ich das Ding gefunden hatte, und dann ertastete ich es nicht mit den Händen, sondern trat ein weiteres Mal drauf. Diesmal allerdings mit dem linken Fuß, und weil ich
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