Die Insel - Roman
wieder hoch und schleppte mich zurück zu der Stelle, an der ich gelegen hatte.
Der Stelle, an der auch Matt lag. Oder Mathilda.
Das zeigt, wie wichtig mir das Messer war.
Für ein gutes Messer wie dieses ist man bereit, eine Menge auf sich zu nehmen.
Außerdem hatte es für mich einen hohen Erinnerungswert.
Ich wollte es unbedingt wiederhaben.
Nachdem ich etwa einen Meter von der Leiche entfernt in die Knie gegangen war, kramte ich Andrews Feuerzeug aus der Hosentasche und knipste es an. Dann kroch ich auf Händen und Knien auf dem felsigen Boden herum und suchte im schwachen Licht der kleinen, gelben Flamme nach dem Taschenmesser. Dabei vermied ich, so gut es ging, die Leiche anzusehen, aber manchmal ließ es sich nicht vermeiden.
Und irgendwann gewöhnt man sich an alles.
So versessen war ich auf das Taschenmesser, dass ich mich sogar fragte, ob es womöglich unter dem Leichnam liegen könnte. Natürlich nicht direkt darunter, aber es hätte ja irgendwo zwischen seine Gliedmaßen gefallen sein können.
Mein Feuerzeug half mir da wenig weiter, ich musste schon mit den Händen den Boden unter seinem Kinn und zu beiden Seiten des Halses abtasten. Auch den Raum unter den Achseln untersuchte ich, ebenso wie den ganzen Rand der Leiche. Ich schob sogar ihre Beine auseinander und sah nach, ob das Messer nicht dorthin gefallen war.
Dabei erkannte ich zwar ohne jeden Zweifel, dass Matt keine Frau war, aber das Messer fand ich nicht.
Schließlich drehte ich den Toten um. (Wenn schon, denn schon). Als er zur Seite rollte, hoffte ich sehr, dass das Messer
zum Vorschein kommen würde, aber natürlich war es nicht da.
Aber ich sah mir den Toten jetzt doch von vorne an.
Im Licht des Feuerzeugs und des Mondes sah ich, dass sein Gesicht nur noch eine zerschlagene, blutverkrustete Masse war, und dass an der linken Seite seiner Brust eine tiefe, hässliche Wunde klaffte.
Bestimmt hatten Wesley und Thelma ihm diese Verletzung zugefügt, damit wir ihn für Wesley hielten, und weil sie nicht sicher hatten sein können, dass er bei seinem Fall in die Schlucht auf dem Gesicht landen würde, hatten sie es bis zur Unkenntlichkeit entstellt, bevor sie ihn hinuntergeworfen hatten.
Aber wer war er? Bestimmt weder Keith noch Andrew, so viel stand fest. Aber wo, um alles in der Welt, hatten sie denn einen Mann als Köder für ihre Falle gefunden?
Ich gab die Suche nach Kimberlys Messer auf, steckte das Feuerzeug wieder ein und begab mich ein weiteres Mal ans offene Ende der Schlucht. Dort ließ ich mich über den Rand hinab und begann, die senkrechte Felswand hinunterzuklettern.
Ich schaffte es in Rekordzeit, indem ich gleich auf den ersten Zentimetern den Halt verlor und abstürzte.
Zum Glück brach ich mir dabei keine Knochen. Und ohnmächtig wurde ich auch nicht. Als ich dann nach ein paar Stunden aufstehen und mich auf den Weg machen konnte, ging die Sonne auf.
Ohne große Mühe fand ich zurück zur Lagune, die ich an ihrem südlichen Ende erreichte. Nachdem ich meine Hosentaschen auf einem flachen Felsen ausgeleert hatte, zog ich die Turnschuhe und Socken aus. Es war ein wunderbares Gefühl, barfuß zu sein.
Dann kletterte ich hinunter ans Wasser und wusch mir, so gut es ging, die Hände, bevor ich mir mit ihnen Wasser zum Trinken in den Mund schöpfte.
Köstlich!
Kühles, klares Wasser! (Gut, soo kühl war es nun auch wieder nicht, aber es schmeckte trotzdem wunderbar.)
Nachdem ich eine Menge davon getrunken hatte, watete ich so weit in die Lagune hinaus, bis ich sie fast vollständig überblicken konnte.
Außer mir schien niemand hier zu sein.
Ich tauchte unter. Das Wasser kam mir auf meiner geschundenen und von Insekten zerbissenen Haut wie eine kühlende Salbe vor. Lange blieb ich unter Wasser und wusch mir wieder und wieder Brust, Bauch, Arme und Beine. Dann zog ich die Shorts aus und rubbelte den Stoff so lange im klaren Wasser, bis wenigstens der schlimmste Schmutz verschwunden war. Ganz sauber wurden sie natürlich nicht. Als ich damit fertig war, watete ich zurück ans Ufer und warf die Hose auf den nächsten Felsen, bevor ich ebenso gründlich wie vorher die Körperstellen wusch, die ich bisher nicht hatte erreichen können.
Danach schwamm ich hinüber zum Wasserfall, stellte mich darunter und ließ mir bestimmt eine halbe Stunde lang das Wasser über Kopf und Schultern laufen in der Hoffnung, dass es mir auch die letzten Reste von Matt vom Rücken spülte.
Zurück am Südende der Lagune suchte ich mir
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