Die Insel - Roman
sowieso schon halb im Wasser lag, verlor ich nicht das Gleichgewicht. Nachdem ich noch einmal tief Luft geholt hatte, unterzog ich meinen Fund einer genaueren Untersuchung.
Es war eine tote Frau.
Ihr Bauch war vom Brustbein bis hinunter zum Schritt aufgeschlitzt, und da, wo eigentlich ihre Gedärme hätten sein sollen, befand sich eine Ladung großer Steine.
Vor Schreck muss ich laut aufgeschrien haben, denn auf einmal hatte ich den ganzen Mund voller Wasser und musste sofort auftauchen. Nachdem ich mich ausgehustet hatte, fing ich am ganzen Körper zu zittern an.
Am liebsten wäre ich weggelaufen. Weg von der Lagune, weg von der mit Steinen gefüllten Leiche.
Aber erst musste ich wissen, wer die Tote war.
Das Geschlecht der Leiche hatte ich ertasten können, aber nicht, wer diese Frau war.
Ich holte Luft und tauchte so rasch, dass ich es mir nicht wieder anders überlegen konnte, noch einmal unter Wasser.
Das Erste, was meine Finger fanden, war eine Schulter, an der entlang ich mich zum Gesicht der Toten tastete. Dabei vermied ich es, in die Nähe der Augen zu kommen, die
ich auf keinen Fall berühren wollte. Vielleicht waren sie ja noch offen - oder gar nicht mehr vorhanden.
Ihr Mund stand offen, und ich fuhr an Lippen und Zähnen entlang und versuchte dabei, mir vorzustellen, zu welchem Gesicht sie wohl gehörten. Welche der Frauen hatte schöne, gerade Zähne gehabt?
Soweit ich mich erinnern konnte, alle vier.
Dann fuhr ich mit den Fingern durch ihre Haare. Es war kurz, weshalb Kimberly schon einmal ausschied (außer, jemand hatte ihr die langen Haare abgeschnitten).
Ich hoffte, dass die Tote Thelma war, was mir aber angesichts der Tatsache, dass sie mit Wesley gemeinsame Sache machte, nicht sehr wahrscheinlich schien.
Ich tauchte kurz auf, schnappte nach Luft und ging gleich wieder unter Wasser.
Ich war nicht gerade darauf versessen, die Brüste einer Leiche abzutasten, aber mir blieb nichts anderes übrig, denn ihre Größe konnte mir wertvolle Hinweise geben. Also legte ich meine Hände darauf (übrigens das erste Mal in meinem Leben, dass ich nackte Brüste anfasste, und dann gleich so). Für Kimberly und Connie waren sie zu groß und für Thelma zu klein. Aber für Billie …
Billie!
Großer Gott, hoffentlich war sie es nicht wirklich. Aber gab es denn eine andere Möglichkeit? Keine der anderen hatte einen Busen in dieser Größe.
Verzweifelt tastete ich mit beiden Händen den restlichen Körper der Leiche ab. Ich spürte ihre breiten Schultern, ihre schmale Taille, den soliden Umfang ihrer Oberschenkel.
Nicht nur die Brüste passten in Form und Größe zu Billie.
Die ganze Leiche fühlte sich wie Billie an.
Nein !
Außer mir vor Schmerz stellte ich mich rittlings über die Leiche und entfernte mit beiden Händen die Steine, die ihr jemand in den aufgeschlitzten Bauch gestopft hatte.
Jemand?
Wesley!
Dieser gottverdammte Wesley Duncan Beaverton III.
Wie hatte er ihr das nur antun können? Wie hatte er meine Billie umbringen, wie sie so grässlich zurichten können?
Mir kam ein schrecklicher Gedanken: Vielleicht hatte er das ja auch mit den anderen gemacht.
Vielleicht lagen auch Kimberly und Connie ausgeweidet und mit Steinen beschwert irgendwo in der Lagune.
Wie ein Besessener fuhr ich fort, der Toten die Felsbrocken aus dem Bauch zu reißen.
Als ich die Luft nicht mehr länger anhalten konnte, schnellte ich mit dem Kopf aus dem Wasser und brüllte, so laut ich konnte, in die Nacht hinaus: » Wesley! Du arschfickendes, schwanzlutschendes Stück Scheiße! Ich bring dich um! Ich schneide dir die Eier ab und zwinge dich, sie AUFZU-FRESSEN, du gottverdammtes Arschloch! «
Noch während ich das schrie, fing ich zu weinen an.
Aber ich schrie weiter.
Ich schrie Dinge, die ich jetzt nicht wiederholen mag.
Erst als ich vom Brüllen und Heulen so erschöpft war, dass ich keinen Ton mehr herausbrachte, hörte ich auf und blieb eine Weile schwer atmend im hüfthohen Wasser stehen.
Es dauerte ziemlich lange, bis ich genügend bei Atem war, um wieder untertauchen zu können.
Im Bauch der Leiche war noch immer eine ganze Menge Ballast. Anstatt die Steine alle einzeln herauszuklauben, ging ich in die Hocke, packte die Tote am linken Oberarm und der linken Hüfte und drehte sie um, sodass die restlichen Steine aus ihrem Bauch herausfielen.
Sofort fing sie an, nach oben zu steigen. Ich hielt sie am Arm und richtete mich auf. Als sie an die Oberfläche kam, gab es ein leises,
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