Die Insel - Roman
eine große, ziemlich flache Felsplatte, auf die ich hinaufkletterte und mich auf dem Rücken in die Sonne legte.
Bald schlief ich ein. Falls ich Träume hatte, erinnerte ich mich nicht mehr an sie.
Am späten Nachmittag erreichte ich den Strand.
Inzwischen hatte ich aufgehört, mir etwas vorzumachen. Ich wusste, dass die Frauen nicht dort sein würden.
Unser Lager sah so aus, wie wir es vor ein paar Tagen verlassen hatten.
Nur das Feuer war ausgegangen.
Ich fand meinen Rucksack, öffnete ihn und holte einen meiner Kugelschreiber und mein Tagebuch heraus.
Es war jetzt mein einziger Begleiter.
Ich setzte mich im Schneidersitz in den Sand, legte das Tagebuch auf meinen Schoß und blätterte es durch, bis ich die erste leere Seite fand.
Dann schrieb ich: Wievielter Tag? Keine Ahnung.
Und darunter schrieb ich: »Überlegungen anlässlich der Rückkehr zu meinem Tagebuch.«
Leichenschau
Es hat verdammt lang gedauert, das alles aufzuschreiben. Gestern Vormittag habe ich angefangen, meine Wanderung den Bach hinauf zu beschreiben, die ich am Abend zuvor unternommen hatte, und erst als ich damit schon zur Hälfte fertig war, habe ich beschlossen, zunächst die Geschichte von unserer Niederlage zu erzählen.
Irgendwie fällt es mir sehr schwer, mich bei all diesen Sachen kurz zu fassen. Und so habe ich schon wieder einen ganzen Tag mit Schreiben verbracht und bin immer noch nicht auf dem neusten Stand.
Seit ich zurück im Lager bin, habe ich kein Feuer gemacht (irgendwie will ich möglichst unauffällig bleiben), deshalb kann ich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr weiter schreiben. Und so habe ich gestern aufhören müssen, bevor ich beschreiben konnte, wie ich von Matt herunterkletterte.
Heute Vormittag bin ich wenigstens zu meinem Bad in der Lagune und meiner Rückkehr zum Lager gekommen.
Und jetzt werde ich den Rest meines Ausflugs den Bach hinauf und meine Suche nach den Frauen schildern, die vor zwei Nächten stattgefunden hat. Als ich die Erzählung unterbrochen habe, hatte ich den schlimmen Teil noch vor mir, aber jetzt muss ich sie fertig kriegen, damit ich für eine Weile mit dem Schreiben aufhören und mir überlegen kann, was ich als Nächstes tun soll.
Ich hatte unterbrochen, als ich oberhalb des Wasserfalls nackt und mit dem Rasiermesser in der Socke durch den Dschungel lief.
Bald hatte ich die Stelle gefunden, an der Billie, Connie und ich Kimberly getroffen hatten. Ohne Kimberlys Führung war es allerdings nicht leicht, von dort wieder zu der Schlucht zu finden. Mehr als einmal bekam ich das Gefühl, im Kreis zu laufen, weil ich immer wieder an Felsen oder Bäumen vorbei kam, die ich vorher schon einmal gesehen hatte.
Im Grunde genommen machte mir das nichts aus, denn ich hatte es nicht eilig, zu der Schlucht zu gelangen. Eigentlich wollte ich sie überhaupt nicht erreichen, aber ich suchte trotzdem weiter.
Und schließlich fand ich sie sogar. Hinter einem Felsen hervor betrachtete ich den Ort, an dem der Kampf stattgefunden hatte.
»Gott sei Dank«, murmelte ich, als ich im Licht des Mondes nirgendwo eine Leiche entdecken konnte.
Ohne es zu wollen, brach ich in Tränen aus.
Eigentlich hatte ich erwartet, oberhalb der Schlucht die Leichen meiner drei Frauen zu finden. Und wenn nicht alle, so doch eine oder zwei.
Ich verspürte ein immenses Gefühl der Erleichterung.
Es hielt etwa so lange an wie mein Weinen. Als ich damit fertig war, sah ich vieles realistischer. Dass ich keine Leichen gefunden hatte, war an und für sich ein gutes Zeichen, aber noch lange keine Garantie dafür, dass sie noch am Leben waren.
Es konnte schließlich auch sein, dass Wesley und Thelma sie umgebracht und dann weggeschafft hatten, um sie zu beerdigen, zu verbrennen, im Meer zu versenken, in eine
Schlucht zu werfen oder irgendwelche schlimmen Spielchen mit ihnen zu treiben. Woher sollte ich wissen, was den beiden alles einfiel?
Vielleicht hatten sie die Frauen ja auch gefangen genommen und irgendwo hingeschafft.
Als ich aus dem Schutz des Felsens heraustrat, fragte ich mich, ob ich nicht vielleicht in eine neue Falle tappte. Schließlich war das hier feindliches Gebiet, auf dem wir schon einmal in einen Hinterhalt gelaufen waren.
Ich bückte mich, zog das Rasiermesser aus der Socke und klappte es auf. Dann ging ich langsam auf die Stelle zu, an der sie uns angegriffen hatten. Auf dem Weg sah ich mich nach allen Richtungen um, aber es war weit und breit niemand zu sehen.
Nicht weit vom Rand der
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