Die Insel - Roman
Strand bleiben, wo ich die Sonne und den sanften Wind spüren konnte und wo ich einen freien Blick in alle Richtungen hatte und sich niemand unbemerkt an mich anschleichen konnte.
Außerdem gab es ja vielleicht wirklich ein Haus.
Und selbst wenn es keines geben sollte, hatte ich viele gute Gründe, um weiter am Strand entlangzugehen. Niemand konnte wissen, was ich hier finden würde. Schon lange hatten wir vorgehabt, irgendwann einmal die Insel zu umrunden, aber wir waren nie dazugekommen. Wesley hatte dafür gesorgt, dass wir uns ständig um wichtigere Dinge hatten kümmern müssen.
Jetzt war ich endlich auf dem Weg und wild entschlossen, mich von meinem Plan nicht abbringen zu lassen. In den Dschungel konnte ich auch später noch gehen, wenn ich am Strand nichts gefunden hatte.
Eine Weile fühlte ich mich so, als hätte ich mir selber einen Strafaufschub gewährt.
Und dann fand ich das Haus.
Zuvor hatte ich die Nordspitze der Insel umrundet und war dann ein Stück weit nach Südosten gegangen, als ich zu einer Bucht kam, die etwa fünfmal so groß zu sein schien wie die in der Nähe unseres Lagerplatzes.
Von weiter weg hatte man keinen Einblick in die Bucht gehabt - alles, was ich gesehen hatte, war ein weiteres Stück Küste mit Wasser auf der einen und Dschungel auf der anderen Seite. Obwohl mir hin und wieder Felsen die Sicht versperrt hatten, war ich eigentlich davon ausgegangen, dass ich an einem geraden Stück Strand entlanglief.
Erst als ich über ein niedriges Felsband kletterte, bemerkte ich, dass sich vor mir eine Bucht auftat. Zunächst ärgerte ich mich darüber, denn die Bucht entlangzugehen war für mich ein ziemlicher Umweg, aber dann wurde ich doch neugierig.
Von den Felsen aus konnte ich nur über das Wasser hinweg an die Stelle blicken, wo der Strand wieder gerade weiter ging, die Bucht selbst aber konnte ich noch nicht einsehen, weil mir ein paar Bäume die Sicht versperrten.
Rasch kletterte ich von den Felsen herab und rannte den Sandstrand entlang auf die Bucht zu. Je näher ich ihr kam, desto mehr von ihrem gegenüberliegenden Ufer kam in mein Blickfeld.
Zunächst sah ich nichts außer Sand und Felsen und dem Dschungel, der dahinter lag.
Als dann plötzlich ein weißer Bootsrumpf in meinem Gesichtsfeld auftauchte, warf ich mich vor Schreck flach in den Sand.
Auf dem Bauch liegend hob ich vorsichtig den Kopf, um mir das Boot näher anzusehen.
Meine Panik wäre nicht nötig gewesen. Das Boot lag still in der Bucht.
Und es schien auch niemand an Bord zu sein.
Ich sah ein Ankertau, das vom Bug ins Wasser lief.
Das Boot war ein großer, gut vierzig Fuß langer Kabinenkreuzer.
Vermutlich der von Matt.
Und unsere Fahrkarte von dieser Insel.
Jetzt musste ich nur noch meine Frauen finden.
Das war es, was mir ein paar Sekunden lang durch den Kopf ging. Ich war in Hochstimmung. Aber dann bekam ich es mit der Angst zu tun. Was, wenn man mich bereits gesehen hatte? Nur weil das Boot verlassen aussah , musste das noch lange nicht bedeuten, dass auch wirklich niemand an Bord war.
Ich starrte hinüber zu dem Kabinenkreuzer und fragte mich, ob mich durch eines der Bullaugen vielleicht Wesley oder Thelma beobachteten.
Hinter den Scheiben war nichts zu sehen.
Auf dem Bauch robbte ich bis zum Rand des Dschungels, wo ich mich im Schutz eines Gebüschs aufrichtete und durch seine Blätter wieder hinaus in die Bucht spähte, die ich von hier aus voll und ganz überblicken konnte.
An einem Steg, der etwa hundert Meter von dem ankernden Boot entfernt vom Strand hinaus ins Wasser führte,
waren zwei Dingis festgemacht. Vermutlich gehörte eines davon zu dem Kabinenkreuzer und war dafür verwendet worden, dessen Besatzung (Matt und die Tote?) an Land zu bringen. Das andere jedenfalls war mit ziemlicher Sicherheit unser Dingi.
Als ich es das letzte Mal gesehen hatte, war Wesley damit aufs Meer hinausgefahren, nachdem er Andrew mit der Axt den Schädel gespalten hatte.
Wahrscheinlich war er danach auf direktem Weg hierher in diese Bucht gefahren.
Wie dem auch sei, ich hatte nicht viel Zeit, weiter über die Dingis nachzudenken, denn gleich nach dem Steg entdeckte ich das Haus.
Zu meinem Highschoolabschluss im vergangenen Sommer hatten meine Eltern mir eine ganz besondere Reise geschenkt.
Zuerst waren sie mit mir für eine Woche nach Memphis, Tennessee gefahren, wo ich in der Eingangshalle des Peabody Hotels fast von einer Menge Schaulustiger zu Tode getrampelt worden wäre, die
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