Die Insel - Roman
begabter Fallensteller.
Vielleicht wollte er auf Nummer sicher gehen für den Fall, dass es Thelma nicht gelungen war, mich auszuschalten. Vielleicht hatte er uns ja auch beobachtet und wusste, dass ich den Kampf gewonnen hatte.
Wusste, dass er als Nächster dran sein würde.
Es sah ihm ähnlich, ein Feuer anzuzünden, um mich an einen bestimmten Ort zu locken. Er selbst würde natürlich nicht an dem Feuer sein, dafür aber irgendwo in der Nähe im Hinterhalt liegen und darauf lauern, dass er mich von hinten fertigmachen konnte.
Weil ich das wusste, steuerte ich nicht direkt auf die Käfige zu, sondern lief noch ein Stück nach links und begab mich an einer weit vom Pfad entfernten Ecke des Rasens in den Dschungel. Erst nachdem ich mich ein ziemliches
Stück weit vorgekämpft hatte, wandte ich mich nach rechts in Richtung Käfige.
Dabei beeilte ich mich, so sehr ich konnte. Falls Wesley nämlich aus einem anderen Grund als dem, mir einen Hinterhalt zu legen, bei den Käfigen war, musste ich ihn so schnell wie möglich stoppen. Zum Glück musste ich bei meinem Weg durch den Dschungel nicht allzu leise sein, denn bei all den lauten Geräuschen ringsum würde Wesley mich wohl erst dann hören, wenn ich in seiner unmittelbaren Nähe war.
Als ich zwischen den Bäumen und Büschen den ersten schwachen Feuerschein erkennen konnte, verlangsamte ich mein Tempo. Seltsam war, dass der Feuerschein ziemlich hoch oben zu sein schien. Von meinem Standort aus sah es so aus, als leuchte er aus mindestens drei bis vier Metern Höhe herab.
Ob Wesley vielleicht auf einen Baum geklettert war und eine Fackel ins Geäst gesteckt hatte? Oder gab es in der Nähe der Käfige einen Hügel, der mir vom Haus aus nicht aufgefallen war?
Gebückt schlich ich mich näher an den Feuerschein heran, wobei ich mir beständig vor Augen führte, dass Wesley höchstwahrscheinlich nicht in seiner Nähe war. Dabei lauschte ich angestrengt in Richtung Käfige, konnte aber keine Stimmen hören.
Mir war bewusst, dass Wesley sich praktisch jeden Augenblick aus dem dunklen Dschungel auf mich stürzen konnte.
Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte, trug er ein Messer in der Hand und einen Gürtel mit einer leeren Scheide um den Bauch. In der zweiten Scheide am Gürtel steckte vermutlich ein weiteres Messer.
Ich musste also davon ausgehen, dass er mindestens mit zwei großen Jagdmessern bewaffnet sein würde.
Niemand konnte sagen, was er sonst noch an Waffen aus dem Haus mitgenommen hatte.
Ich hoffte nur, dass es nicht die Axt war.
Die hatte ich seit unserem Waterloo, wo ich sie als Befestigung für Kimberlys Seil in einen Felsspalt gesteckt hatte, nicht mehr gesehen. Auch das Schweizer Messer war seither verschwunden.
Wesley und Thelma mussten Axt und Taschenmesser genommen haben. Vor dem kleinen Messer hatte ich keine große Angst. Es war zwar höllisch scharf, aber bei weitem nicht so scharf wie mein Rasiermesser. Und gegen meine Machete hatte man mit einem Messer überhaupt keine Chance.
Bei der Axt war das anders.
Wenn Wesley sich mit der Axt auf mich stürzte … oder mit einer anderen Waffe, von der ich nichts wusste … einer Kettensäge vielleicht … oder einer Pistole ….
Nein, eine Pistole hatte er bestimmt nicht, sagte ich mir. Wenn er irgendwie in Besitz einer funktionierenden Feuerwaffe gelangt wäre, dann hätte er sie mit ziemlicher Sicherheit längst eingesetzt.
Aber niemand konnte sagen, was für andere Waffen er sonst noch gefunden haben konnte. Eine Familie, die einen Gartentraktor besaß, verfügte bestimmt auch über eine große Auswahl an Werkzeugen, die sich ziemlich fies zweckentfremden ließen: Kettensäge, Sense, Heckenschere, Hacke, Vorschlaghammer.
Die meisten davon waren allerdings auch nicht schlimmer als die Axt, dachte ich mir. Schließlich hatte ich ganz aus der Nähe gesehen, was sie mit Andrews Kopf angerichtet hatte.
Irgendwo musste die Axt jetzt sein. Hoffentlich nicht in den Händen von Wesley.
Vor der Axt hatte ich Angst.
Entsetzliche Angst. Als ich allerdings erfuhr, welche Waffe Wesley wirklich hatte, wünschte ich, es wäre die Axt gewesen.
Moment. Stopp. Kurze Pause. Jetzt greife ich vor. Und das ist so ziemlich das Letzte, was ich eigentlich will: mich ohne Not schneller an den Punkt bringen, ab dem ich eigentlich überhaupt nicht mehr weiterschreiben will.
Ich wünschte, ich könnte es einfach auslassen.
Aber jetzt bin ich schon so weit gekommen. Jetzt habe ich über allen
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