Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
Vom Netzwerk:
sein.

Dritter Tag

Was mit dem Dingi geschah
    Das ist passiert:
    Irgendwann, mitten in der Nacht, hat er sich das Dingi geschnappt. Wir wissen nicht einmal, während wessen Wache es geschehen ist.
    Das Dingi zu holen, war nicht schwer. Wir hatten es zwar so hoch den Strand hinaufgezogen, dass es von der Flut nicht fortgespült werden konnte, aber es war nicht nahe genug am Lager, als dass wir es hätten im Auge behalten können. Der Schein unseres Feuers reichte einfach nicht so weit, dass man es sehen konnte.
    Und außerdem hat niemand daran gedacht, dass jemand uns das Dingi stehlen könnte. Wir hatten Angst um uns, nicht um das Boot.
    Ich vermute, dass er sich von der Seite her angeschlichen und das Dingi leise ins Wasser gezogen hat. Dann musste er eigentlich nur noch hinaus ins Meer schwimmen und es an der Bugleine hinter sich herziehen.
    Als Connie und ich um vier Uhr früh unsere Wache antraten, setzten wir uns so hin, dass wir uns über das Feuer hinweg ansehen konnten. So deckten wir zusammen einen Winkel von 360 Grad ab, und niemand konnte sich uns nähern, ohne von einem von uns entdeckt zu werden.
    Es war Connie, die diese Positionen vorgeschlagen hatte. Vielleicht, weil sie einen Nebeneffekt hatten, der ihr nicht unlieb war: Wir waren uns nicht nahe genug, um uns zu
berühren, und wir konnten uns auch nicht miteinander unterhalten, ohne laut reden zu müssen. Also schwiegen wir die meist Zeit. Mir war das Recht.
    Obwohl uns so nichts anderes übrig blieb, als dazusitzen und hinaus in die Dunkelheit zu starren, fiel keinem von uns etwas Außergewöhnliches auf. Aber vielleicht war das Dingi ja längst weg, als wir unsere Wache antraten.
    Als wir ungefähr eine Stunde hinter uns hatten, stand ich auf und ging hinter die Felsen zum Pinkeln. Das war nur ein paar Meter entfernt von der Stelle, an der das Dingi hätte liegen müssen, aber ich erinnere mich nicht mehr daran, ob ich es gesehen habe oder nicht. Kann gut sein, dass es schon weg war, aber beschwören will ich das nicht.
    Kurz nach mir ging Connie ebenfalls hinter die Felsen - und zwar aus demselben Grund wie ich. Ich stand auf und wollte sie begleiten, aber sie sagte: »Danke, aber ich mache das lieber ohne Zuschauer. Glaub mir, ich kann schon auf mich selber aufpassen.« Sie hob einen der Speere und fuchtelte damit in der Luft herum. »Bleib hier und kümmere dich um deinen eigenen Mist.«
    Und so blieb ich mit dem Rücken zum Feuer stehen und schaute ihr hinterher. Als sie den Lichtschein des Feuers verlassen hatte, war alles, was ich noch von ihr sah, ihr weißes T-Shirt, das sich als heller Fleck von der Dunkelheit abhob. Nach ein paar Schritten bewegte es sich nach oben, woran ich erkannte, dass sie auf die Felsen kletterte. Dann sah ich es nicht mehr und dachte mir, dass es eigentlich ziemlich leichtsinnig war, was wir da taten. Niemand konnte sagen, ob hinter den Felsen nicht der Mörder lauerte und ihr den Garaus machte. Verdient hätte sie es ja.
    Nach ein paar Minuten kam Connie zurück.

    »Das war nicht richtig«, sagte ich. »Du hättest nicht alleine gehen dürfen.«
    »Ja, ich weiß, dass du gerne zugeschaut hättest.«
    »Was meinst du wohl, wen dein Dad verantwortlich gemacht hätte, wenn unser Inselkiller dich da drüben abgemurkst hätte? Mich, nicht dich. Er hält mich auch so schon für einen Versager.«
    »Das ist wohl das Einzige, worüber du dir Sorgen machst.«
    »Was soll das heißen? Glaubst du etwa, dass es mir nichts ausmacht, wenn du ermordet wirst?«
    Sie schnaubte verächtlich. »Es wäre bestimmt kein allzu großer Verlust für dich. Du bist doch bloß auf meine Mom scharf - und auf Kimberly. In deinen Augen kann ich denen doch nicht das Wasser reichen.«
    »Das kannst du wirklich nicht.«
    »Siehst du?«
    »Aber deshalb will ich noch lange nicht, dass du ermordet wirst. Eigentlich will ich nur eines: Dass du endlich aufhörst, an mir herumzumeckern. Aber dazu müsste wohl ein Wunder geschehen.«
    Sie lachte höhnisch und sagte: »Wie nett du doch bist«, bevor sie wieder auf ihre Seite des Feuers ging. Sie setzte sich in den Schneidersitz und legte den Speer auf ihre Oberschenkel. »Schau mich bloß nicht an«, sagte sie.
    Also sah ich sie nicht an.
    Zumindest nicht für die nächste halbe Stunde.
    Dann aber erregte sie meine Aufmerksamkeit, indem sie den Speer hoch über den Kopf hob. Ich blickte kurz auf, und schon kam er geflogen.
    Über das Feuer hinweg und direkt auf mich zu. Ich konnte gerade noch einen Arm

Weitere Kostenlose Bücher