Die Insel - Roman
würde.
»Keines. Nur das von Wesley.«
»Wer’s glaubt …«
»Kein Wunder, dass Wesley gedacht hat, ihr alle wäret gegen ihn«, sagte Thelma. »Ich habe immer geglaubt, er würde übertreiben, aber jetzt …«
»Wir waren nicht gegen ihn«, sagte Andrew.
»Dass ich nicht lache!«
»Ich jedenfalls nicht«, fuhr Andrew fort. »Aber noch einmal. Wenn das Seil nicht auf dem Boot war, wie soll dann Wesley drangekommen sein? Keith wurde also von einem Fremden ermordet. Einem Fremden, der dieses Seil mitgebracht hat.«
»Wesley hätte doch bei seinem Vorbereitungstrip letzte Woche ein paar Sachen auf der Insel deponieren können«, sagte Billie.
»Richtig!«, pflichtete Kimberly ihr bei und nickte heftig. »Wenn er geplant hat, dass wir hier stranden, musste er sich ja zwangsläufig einen Vorrat anlegen.«
Natürlich war das meine Idee gewesen, aber ich überließ sie gerne Kimberly. Ich war froh, wenn ich den Mund halten konnte.
Trotzdem musste ich ihn noch ein weiteres Mal aufmachen. Mit einem Seitenblick hinüber zu Thelma sagte ich: »Ganz gleich, ob es nun Wesley angelegt hat oder jemand
anderer, ich bin mir ziemlich sicher, dass es hier auf der Insel irgendwo ein Lager mit Vorräten gibt. Von irgendwoher muss das Seil ja schließlich gekommen sein, oder? Vielleicht sollten wir uns morgen mal auf die Suche nach diesem Lager machen.«
»Nein, morgen tun wir etwas anderes«, sagte Connie. »Wir setzen uns in das Dingi und sehen zu, dass wir von dieser verdammten Insel wegkommen, bevor wir noch alle umgebracht werden. Wäre das nicht das Beste, einfach abzuhauen? Wer immer auch der Mörder sein mag, er wird nicht mit uns im Dingi sitzen. Wir fahren einfach auf eine von den Inseln da draußen, wo es keine Verrückten gibt, die uns alle ausrotten wollen.«
»Sie sind weiter entfernt, als es den Anschein hat«, erklärte Andrew.
»Na und?«
»Bevor wir auch nur in ihrer Nähe wären, würde uns das Benzin ausgehen. Und dann säßen wir in einem Dingi mit nicht genügend Essen und Wasser …«
»Aber auch ohne einen Wahnsinnigen, der uns allen nach dem Leben trachtet«, sagte Connie.
»Glaub mir, auf dieser Insel sind wir bedeutend besser aufgehoben als draußen auf dem Meer. Wir haben alles, was wir brauchen - wenn es sein muss, könnten wir hier bis an unser Lebensende bleiben.«
»Oh Gott, bitte nicht«, sagte Billie.
»Die Schweizer Familie Collins.« Ich konnte nicht anders, ich musste es sagen.
»Unser Leben könnte schneller vorbei sein, als wir glauben«, sagte Connie. »Wesley wird uns alle umbringen.«
»Nicht mein Wesley!«, rief Thelma.
»Dann eben jemand anderer!«
»Hört auf damit!«, sagte Andrew.
Ich für meinen Teil hätte das Gespräch am liebsten sofort abgebrochen. Es wurde langsam dunkel, und ich hatte noch eine Menge zu schreiben.
Die Quintessenz des Kriegsrats war die: Erstens waren wir uns einig, dass Keiths Mörder - ganz gleich, ob er nun Wesley oder ein Fremder war - uns allen nach dem Leben trachtete, und zweitens würden wir nicht versuchen, morgen mit dem Dingi die Insel zu verlassen. Nur im absoluten Notfall wäre das eine Option. Drittens wollten wir morgen die Insel erkunden, und viertens sollten diese Nacht immer jeweils zwei von uns Wache stehen: Erst Andrew und Thelma, dann Kimberly und Billie und schließlich dann Connie und ich. Und natürlich durfte niemand alleine das Lager verlassen.
Nach dem Kriegsrat zogen wir los und sammelten einen großen Stapel Holz fürs Feuer. Außerdem trugen wir einen Haufen Steine zusammen, die wir als Wurfgeschosse verwenden konnten. Erst danach hatte ich Gelegenheit, mich hinzusetzen und mein Tagebuch zu schreiben. Das habe ich jetzt ziemlich lange getan und bin fast fertig damit. Wenn ich mich nicht beeile, muss ich den Rest wohl in Blindenschrift niederschreiben.
Während ich geschrieben habe, starrte Thelma schmollend ins Feuer, während Connie allein neben dem Dingi im Sand saß und hinaus aufs Meer blickte. Andrew, Billie und Kimberly hatten nach und nach ein hübsches kleines Waffenarsenal angefertigt, sodass wir neben unseren Steinen nun auch noch Speere, Keulen und improvisierte Streit äxte besaßen und für eine heiße Schlacht gegen die Familie Feuerstein und Barney Geröllheimer bestens gerüstet waren.
Eigentlich sollte ich keine Witze über unsere Waffen rei ßen. Ich bin froh, dass wir sie haben.
Ein Schnellfeuergewehr wäre mir zwar lieber, aber als Schiffbrüchiger kann man nicht wählerisch
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