Die Insel - Roman
Idee.«
»Stimmt. Aber nicht heute.«
»Wieso eigentlich nicht?«, fragte Billie. »Bis auf ein paar Ausflüge in den Dschungel waren wir immer nur unten am Strand. Wer weiß, was uns woanders alles erwartet.«
»Vielleicht finden wir ja das Dingi«, sagte ich.
Connies Gesicht hellte sich mit einem Schlag auf. »Genau! Und wenn wir es haben, können wir von hier verschwinden.«
»Vielleicht sind wir ja auf gar keiner Insel«, sagte Billie. »Wir könnten ja auch auf einer Halbinsel gestrandet sein.«
»Das ist eine Insel«, erwiderte Kimberly. »Dad hat mir die Seekarte gezeigt, bevor wir an Land gingen. Wir sind nicht einmal in der Nähe des Festlands. Hier gibt es weit und breit nichts anderes als Wasser und ein paar kleine Inseln.«
»Trotzdem wissen wir nicht, auf welcher Insel wir hier sind und wie groß sie ist«, entgegnete Billie. »Vielleicht ist ein Teil von ihr ja auch bewohnt, vielleicht gibt es ja sogar eine Ortschaft hier.«
»Und Polizei«, sagte Connie, die zusehends munterer wurde. Verletzung hin oder her, für das Dingi oder eine Polizeistation war sie anscheinend bereit, einen noch so langen Marsch auf sich zu nehmen.
Billie nickte. »Es könnte jedenfalls nicht schaden, weiter an der Küste entlang zu gehen und uns umzusehen …«
»Wie ihr wollt«, sagte Kimberly. »Ich halte das für eine Schnapsidee, aber macht nur. Mir ist es völlig egal, ob hinter der Ecke da vorn eine Großstadt ist oder nicht, ich gehe in den Dschungel und suche Wesley, und ich komme erst wieder heraus, wenn ich seinen Kopf habe.«
Ich konnte nicht anders, ich musste sie mit großen Augen anstarren und fragen: »Seinen Kopf? Meinst du das wörtlich oder im übertragenen Sinn?«
Sie sah mich nur an.
Und ich hatte meine Antwort.
»Meine Güte«, murmelte ich.
Billie machte ein halb ungläubiges, halb amüsiertes Gesicht. »Du hast doch hoffentlich nicht im Ernst vor, Wesley den Kopf abzuschneiden, oder?«
»Er hat meinen Ehemann und meinen Vater umgebracht. Weißt du noch, wo wir Dads Leiche übers Riff gezogen haben? Genau dort möchte ich Wesleys Kopf hinbringen und langsam untergehen lassen, damit Dad sieht, dass ich ihn gerächt habe.«
Mir gefiel das überhaupt nicht.
Auch ich wollte zwar, dass Wesley getötet wurde, aber dass Kimberly sich einen so bizarren und grausigen Plan zurechtgelegt hatte, beunruhigte mich doch ziemlich. Es sah so aus, als hätte sie ausgiebig darüber nachgedacht.
Von dieser düsteren, unheimlichen Seite hatte ich sie bisher noch nicht kennen gelernt.
Connie blickte ihre Halbschwester an, als wäre sie soeben mit einer fliegenden Untertasse gelandet. Dann fing sie leise an zu summen: »Du-di-do-do, Du-di-do-do.« Es war die Erkennungsmelodie von Twilight Zone , die ich schon öfter von ihr gehört hatte. Was ich nicht wusste, war, dass sie die Stimme von Rod Serling erstaunlich gut nachmachen konnte: »Und da ist sie, Kimberly Dickens, Cheerleader und Ballschönheit, liebende Tochter und ergebene Ehefrau. Für ein harmloses Picknick kam sie auf eine tropische Insel, wo sie aber rasch erkennen musste, dass sie in eine düstere Schattenwelt voll primitiver Triebe und Lüste geraten war, die …«
»Lass den Scheiß«, sagte Kimberly.
»Und was ist mit dir? Du verkündest hier, dass du jemanden den Kopf abschneiden willst!«
»Hast du damit ein Problem?«
»Mit dir habe ich ein Problem, Kimberly. Du machst mir echt Angst, wenn du davon redest, dass du jemanden köpfen willst - auch wenn es Wesley ist. Da frage ich mich ernsthaft, ob du noch alle Tassen im Schrank hast.«
Kimberly sah sie stirnrunzelnd an. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich sollte so etwas nicht sagen.« Sie schaute uns allen nacheinander ins Gesicht. »Tut mir Leid, ich habe mich gehen lassen. Aber keine Angst, ich bin nicht verrückt geworden.«
»Ich hatte selber auch schon ziemlich schlimme Fantasien«, sagte Billie. »Habe mir vorgestellt, was ich Wesley am liebsten alles antun würde. Da waren schlimmere Sachen bei, als ihm den Kopf abzuschneiden.«
»Gut, ich hatte auch schon solche Fantasien«, gab Connie zu und meinte, an Kimberly gewandt: »Der Unterschied ist nur, dass du es ernst meinst.«
»Wir werden sehen«, erwiderte Kimberly und setzte sich wieder in Bewegung die Küste entlang.
Billie, Connie und ich gingen ihr schweigend hinterher.
Kimberly hatte uns alle drei ziemlich erschreckt.
Unser Schweigen musste sie beunruhigt haben, denn nach einer Weile blieb sie stehen. »Was ist denn
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