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Die Insel - Roman

Titel: Die Insel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon Thomas A Merk
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sehen, was ich geschrieben habe und mein Gedächtnis aufzufrischen.
Fast kommt es mir so vor, als hätte es ein anderer geschrieben. Und zwar vor Jahren. So viel hat sich inzwischen verändert.
    Jetzt ist es mir fast peinlich, zu lesen, was ich geschrieben habe.
    Ein Beispiel: Ich erwarte, dass er versucht, mich wieder umzubringen. Das klingt so, als hätte er mich schon einmal umgebracht. Aber das ist eigentlich nicht das Problem (In Dialogen darf man sowieso schreiben, was man will, und außerdem ist es völlig egal, weil das eh niemand lesen wird). Was mir wirklich zu schaffen macht, ist meine naive und schnoddrige Art, in der ich über alles berichtet habe. Ach Gottchen, der gute Wesley. Was? Er will mir ans Leder? Dann muss ich echt dran denken, mich das nächste Mal rechtzeitig zu ducken.
    Soll ich sagen, was wirklich passiert ist?
    Er hat mich nicht erwischt.
    Aber die anderen. Kimberly, Billie und Connie.
    Sie sind verschwunden, und ich bin wieder hier am Strand und schreibe mein Tagebuch, quicklebendig und allein.
    Hier ein weiteres Juwel aus meinem letzten Tagebucheintrag: Außerdem habe ich nicht vor, mich umbringen zu lassen.
     
    Soviel zum Thema Arroganz.
    Soviel zum Thema »Wer ist das größte Arschloch weit und breit?«
    Soviel zum Thema Prophezeiungen.
    Um ehrlich zu sein: Ganz genau weiß ich nicht, ob die Frauen wirklich tot sind. Ich nehme es an, aber ich bin mir nicht sicher. Als ich ausgeschaltet wurde, waren sie noch am Leben, aber was ist danach passiert?

    Ich weiß es nicht.
    Ich weiß nur, dass sie nicht hier sind.
    Und das, glaube ich, halte ich nicht aus. Ich gehe jetzt erst einmal schwimmen. Vielleicht habe ich ja Glück, und ein Hai verspeist mich zum Mittagessen.

Kriegszug
    Schon wieder ein Tag vorbei.
    Gestern war ich zu kaputt, um noch etwas zu schreiben. Wie schon gesagt: Ich bin geschwommen, draußen vor dem Riff, aber die Haie haben mich nicht erwischt. Nicht mal eine Flosse habe ich gesehen.
    Trotzdem habe ich an Selbstmord gedacht.
    An einen von diesen coolen, melodramatischen Selbstmorden, wie man sie in unzähligen schlechten Filmen sieht und bei denen irgend so ein Idiot ins Meer geht und in den Sonnenuntergang hinausschwimmt. Bei so was geht es wohl darum, dass man so lange schwimmt, bis einem die Kräfte ausgehen und man dann irgendwann mal so erschöpft ist, dass man ertrinkt. Ab einem gewissen Punkt ist man verloren, selbst wenn man es sich doch noch anders überlegen sollte.
    Ich habe es aus mehreren Gründen nicht getan.
    A. Ertrinken ist Scheiße
    B. Tot sein ist Scheiße
    C. Der einzige Überlebende zu sein ist schlimm, aber nicht schlimmer als der Tod.
    D. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, ob die Frauen wirklich tot sind.
    E. Wenn ich mich umbringe, dann kann ich Wesley und Thelma nicht mehr das antun, was ich ihnen gerne antun will.

    F. Ob’s mir nun gefällt oder nicht: Mir ist nun mal die Rolle des letzten Überlebenden zugefallen, ich bin der Ismael oder Horatio, der die Nachwelt über die gerechte Sache einer edlen, verlorenen Schar zu informieren hat.
    Außer dass ich meinen Selbstmord abgeblasen habe, ist gestern nicht mehr allzu viel geschehen. Ich bin geschwommen, habe gegessen, habe geweint, habe geschlafen.
    Und heute schreibe ich auf, was uns an unserem achten Tag auf dieser Insel widerfahren ist.
    Natürlich nur, soweit ich es weiß.
     
    Am sechsten Tag war Thelma grün und blau geschlagen zum Lager zurückgekehrt und hatte behauptet, Wesley umgebracht zu haben. In der Nacht darauf hatte sie mich mit dem Rasiermesser angegriffen. Und dann war sie in die Bucht hinausgewatet und weggeschwommen.
    Am siebten Tag haben wir lange über das geredet, was in der Nacht zuvor passiert war, und ich habe das alles in mein Tagebuch geschrieben. Ansonsten ist nichts Wichtiges geschehen. Connies Verletzung war der Hauptgrund dafür, dass wir nichts unternommen haben. Aber Connie war auf dem Weg der Besserung.
    Die Nacht verlief ohne besondere Vorkommnisse.
    An unserem achten Inseltag fühlte sich Connie wieder so fit, dass sie etwas unternehmen wollte. Wir alle wollten das. Und wir wussten, dass es höchste Zeit war, uns Wesley und Thelma zu schnappen.
    Wir hofften, dass Wesley inzwischen vielleicht gestorben war.
    Dass Thelma uns über seine Ermordung angelogen hatte, war uns allen ziemlich klar. Schließlich hatte sie auch sonst
fast nur Lügen erzählt. Trotzdem hielten wir es durchaus für möglich, dass Wesley seinen Verletzungen erlegen war, die wir

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