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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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Morgenfrühe seine Schritte über die Vorderveranda hämmern. Einmal schaute ich aus dem Schlafzimmerfenster ins Dunkel, vor dem Morgengrauen, wenn nur erst ein Silberfaden im Osten schwebt und die Lichter von Seattle wie winzige Löcher in einem schwarzen Kessel blinken, und doch kann man aus dem leisen Kratzen von Vogelfüßen auf dem Dach und aus dem schrilleren Ruf der Seemöwen schon schließen, daß der Morgen naht. Die Luft war mild und duftete nach Seetang und Ringelblumen. Ich holte tief Atem und dachte, ob wir wohl viele Muscheln finden würden – da sah ich auf einmal, wie sich bei der Glyzinie etwas bewegte. Und zwar etwas ziemlich Großes. Ich wartete und spähte ins Dunkel, und bald stieg Bucky von der unteren Terrasse zum höher gelegenen Sitzplatz hinauf, schlenderte umher und knabberte genüßlich an den Blumen. Als er sich schließlich an Zinnien und Löwenmäulchen überfressen hatte, stieg er langsam und majestätisch die Treppe im Felsgarten hinan, die zum Gästehaus führt.
    Eines Morgens führte er seine Frau und sein Kind zum Schwimmen an den Strand. Oft haben wir ihn im Obstgarten gesehen, wo er so still stand wie der Nebel, der ihm bis an die Knie reichte. Er verschwand im gleichen Jahr, als auf der Insel die Jagd auf Rehwild freigegeben wurde.
    Joan und Anne brachten zwei Freunde aus dem Zirkus mit: Sheldon und Camille. Sheldon ist eine kleine dunkelgrüne Schildkröte, und Camille ist ein Chamäleon. Es lebt im blauen Blütengarten, wechselt seine Farbe durchaus nicht, hüpft aber umher und genießt das Leben. Sheldon dagegen – mit dem ist nicht viel los gewesen. Er verbrachte sein kurzes Leben unter dem Eisschrank.
    Ratten kann ich nicht leiden, aber einmal mußte ich doch wegen einer Ratte Tränen vergießen. Es war damals, als wir das Haus gerade erworben hatten und noch ehe die neue Küche gebaut worden war. Neben dem Herd war ein Schrank, in dem früher der Heißwassertank gesteckt hatte. Dort bewahrte ich Keks und anderes trockenes Gebäck auf, weil die Herdwärme es schön knusprig hielt.
    Anne und Joan waren damals in jenem noch viel zu wenig besungenen Stadium der heranwachsenden Jugend, wo alles Essen, einerlei wie schön es angerichtet ist, aufs genaueste nach Fremdkörpern untersucht werden muß. Eines Morgens beim Frühstück verkündeten sie in schrillen Klagetönen, daß die eine Ecke der Zwiebackschachtel, die « du auf den Tisch gestellt hast, von Ratten angenagt» sei.
    «Unsinn», erklärte ich von meiner Ofenecke aus, wo ich heißen Kaffee in großen Schlucken trank, die Wand anstarrte und mich fragte, weshalb in aller Welt ich ausgerechnet das Schreiben als künstlerische Betätigung erkoren hatte. Weshalb nicht Brandmalerei? Oder Rosenzucht?
    Anne rief: «Schau mal, Betty, Nagezähne! I gitt, ich will kein Frühstück!»
    Joan sagte schadenfroh: «Huh, da klebt sogar ein bißchen Fell an der Schachtel.»
    Mit der Geschwindigkeit und Anmut eines mühselig beladenen Lastesels ging ich zum Frühstückstisch hinüber und untersuchte die Schachtel. An der linken oberen Ecke waren in der Tat ein paar winzige Spuren von Nagezähnen. Von Fell war nichts zu sehen.
    Ich sagte: «Wahrscheinlich ein Mäuschen. Ich kann ja eine Falle aufstellen. Eßt jetzt auf. An eurem Brot oder am Speck hat nichts genagt.»
    «Ja», sagte Anne, «aber in meinem Kaffee schwimmt, glaube ich, eine Ameise.»
    «Wo?» fragte Joan eifrig. «Zeig sie mir!»
    Ich goß mir eine zweite Tasse Kaffee ein und fing an, über Strandgut, Ölfunde, Dienerschaft und Frühstück im Bett nachzudenken.
    Als ich am nächsten Morgen die Zwiebackschachtel aus dem Trockenschrank holte, schoß eine große graue Ratte in ein Loch oben, ließ aber ihren Schwanz wie eine Klingelschnur herunterhängen. «Ich muß eine Falle aufstellen», dachte ich, aber was ich mir am frühen Morgen vornehme, ist meistens schnell vergessen. Ich stellte den Zwieback und das andere Gebäck in einen Schrank über dem Spülstein, aber den Rattenschwanz sah ich trotzdem täglich, weil ich jetzt im «Rattenschrank» das Seifenpulver verwahrte. Dann sah auch Don den Schwanz und stellte eine Falle auf.
    Es war eine große, kräftige Rattenfalle, die gescheit mit Handschuhen angefaßt und auf teuflische Art mit zähem Käse und sehr duftendem Camembert geködert wurde. Als ich am folgenden Morgen die Tür öffnete, während ich wartete, daß der Kaffee kochte war die Falle noch leer. Ich war froh. Nach einigen Stunden saß ich zusammengekauert am

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