Die Insel und ich
seiner Hände Arbeit signiert hatte, ließ Don ihn an der Straße arbeiten. Wir konnten verfolgen, wie erstaunlich langsame Fortschritte er machte, da seine Stimme, wenn er seine fremden Lieder sang, recht weit schallte und von den Hügeln widerhallte. Als er auch hier die Arbeit beendet hatte, gingen Don und ich hinaus, um das Ergebnis zu betrachten, und dabei bot sich uns ein häßlicher Anblick von weggeworfenen alten Tüten, Butterbrotpapier und alten Coca-Cola-Flaschen, die zwischen den welkenden Brennesseln und nur halb beseitigten Ranken herumlagen. Don sagte Zacharias, er solle gefälligst Ordnung machen, doch tat er es widerwillig und ohne den sonst üblichen Eifer. «Nichts als Zeitverschwendung», sagte er zu mir, als er kam, um sich die siebzehnte Flasche Coca-Cola zu erbitten. «An der alten Straße liegt ja doch nix als Müll, was schaden da ein paar Coca-Cola-Flaschen? Mr. MacDonald wirft’s Geld aus dem Fenster.»
Am folgenden Morgen, einem Sonntag, wurde Don durch einen Telefonanruf von Zacharias geweckt, der im Gefängnis saß und einen Bürgen brauchte. Don stellte Kaution – damals und noch viele Male. Zacharias erklärte uns, es sei sein schwacher Magen, der ihm immer wieder Unglück brächte. «Zwei Glas Sherry», sagte er, «und ich bin ein wildes Tier!» Als es dann heiß wurde und Don ihn an der neuen Straße arbeiten lassen wollte, streikte Zacharias. «Mein schwacher Magen kann das Schaufeln nicht vertragen», sagte er. «Ich muß sehn, daß ich Arbeit als Aufseher finde. Mein letzter Chef hat mir gesagt, ich wär prima geeignet, Leute zu beaufsichtigen, die arbeiten. Bin der geborene Aufseher, sagt er.»
Zacharias Nachfolger war ein blasser Kunstbeflissener namens Egular Earhart, der Ölmalerei per Korrespondenzkursus studierte; doch für einen Dollar fünfundzwanzig die Stunde erbot er sich, «hier mal Ordnung zu schaffen». Ich sah schon herrliche, unkrautfreie Beete vor mir, beschnittene Hecken, saubere Spalierbäumchen, schneckenlose Felsengärten, die Hänge ohne Schlinggewächse, und alles sehr geschmackvoll. Ich erzählte Don ganz begeistert von Egular, und er fragte gelassen:
«Ist er stark?»
Ich dachte an Egulars Schultern, die in seiner fadenscheinigen Joppe wie ein krummer Kleiderbügel niederhingen, an sein wachsgelbes Gesicht und die spinnedürren Arme und sagte: «Er ist nicht ausgesprochen stämmig, aber er hat bestimmt die besten Absichten.»
«Nun, mußt ihn halt ausprobieren», meinte Don. «Vielleicht ist er besser als gar niemand.»
Aber nicht mal das traf zu.
Er kam jeden Morgen um acht Uhr, meldete sich höflich und sammelte sein Werkzeug ein. Dann verschwand er. Ich schrieb damals auf meiner kleinen Schreibmaschine, die auf dem blauen Tischchen am Küchenfenster stand, und wahrscheinlich hätte ich besser aufpassen sollen, was Egular machte und wo er steckte.
Ich weiß noch, daß ich manchmal, wenn ich an den Strand hinunterging, um Borke zu sammeln, weil sie mich arme Dichterin frieren ließen, gereizt die wuchernden Büsche und Sträucher bekämpfte und mich fragte, was nun eigentlich Egulars Idee von «Ordnungschaffen» sei.
Schließlich kam ein schöner Aprilsonntag, der Himmel hinter den schwarzen Tannen war blau wie Lysolflaschen, der Pfirsichbaum steckte voller rosa Seidenpapierblüten, der Wind hatte sich nach Norden gedreht, was gutes Wetter bedeutete, und der Sund war lauter krause grüne Seide mit weißen Straußenfedern. Da beschlossen Anne und Joan und Don und ich, am Strand zu kochen.
Als wir nach trockenen Eibisch-Stöckchen suchten, stießen wir auf Egulars Anlage – eine Anlage, an die er bereits elf Tage à zwölf Dollar verwandt hatte und an der er sicherlich noch den ganzen Sommer hatte Weiterarbeiten wollen. Im Schatten eines riesigen Schlinggewächses hatte er mittels in die Erde gestoßener Bierflaschen ein kleines Beet von ein Meter Länge zu ein Meter zwanzig Breite angelegt, und innerhalb dieses niedlichen Rahmens gediehen, von Egular angepflanzt, ein paar meiner schönsten Alpenpflanzen, einige Azaleen und zwei Brennesseln. Wollte er den ganzen Abhang mit Bierflaschen bepflastern oder wollte er diese Juwelen nur hier und da künstlerisch gruppieren – das weiß ich nicht. Und Don wollte ihn nicht erst fragen. Also mußte Egular gehen.
Als er am Montag früh wieder an die Küchentür klopfte, wollte ich ihm eine Ausflucht servieren, daß Dons Vater, ein berühmter Landschaftsgärtner aus Schottland, zu uns ziehen würde und
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