Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
verbrennenden Fleisches. Ich erinnere mich immer noch daran.
» Die Menoden versuchen seit Jahren, diese Praxis für gesetzeswidrig zu erklären«, sagte Thor mit gepresster Stimme. » Ich dachte, es gäbe sie gar nicht mehr.«
» Vielleicht offiziell. Aber es gibt immer irgendwelche Fanatiker, die die Operation durchführen, selbst wenn sie wirklich illegal sein sollte.« Ich zuckte mit den Schultern. » Zumindest habe ich überlebt. Und ich muss mir keine Sorgen machen, dass ich ein anderes Halbblut in die Welt setze, das genauso leiden muss wie ich … Aber ich kann nicht zulassen, dass du mich heiratest, Thor.«
» Ich habe dich nicht gefragt, weil ich deine Kinder will. Ich habe dich gefragt, weil ich dich liebe.«
Ich starrte ihn an. Wir hatten nicht von Liebe gesprochen; die Idee war lächerlich – viel zu früh, viel zu schnell. Ein solcher Mensch war ich nicht. Und er auch nicht. Schließlich sagte ich: » Du kennst mich erst einen Tag lang. Nicht einmal diesen einen wirklich. Nur ein oder zwei Stunden.«
» Ich kenne dich mein ganzes Leben. Du bist die andere Hälfte von mir.« Er war nie ernster gewesen als in diesem Moment – und ich würde ihn nie mehr lieben als in diesem Augenblick.
» Denk darüber nach. Versprich mir, dass du darüber nachdenken wirst.«
» Ja«, flüsterte ich. » Ja … ich werde … darüber nachdenken.« Das Versprechen, ein ganzes Leben mit ihm zu verbringen, war wie ein verlockendes Festmahl, das den gewohnheitsmäßig Hungernden dargeboten wird. Unmöglich. Wie hätte es anders sein können?
Das Segel bauschte sich auf, als der Wind endlich zurückkehrte. Thor stand auf und zog sich an, um das Boot zum Hafen der Fischer zu lenken.
9
Es war bereits Tag, als wir die Stufen zur Trunkenen Scholle hinaufstiegen. Meinem Gefühl nach hatten wir es geschafft, ungesehen zurückzukehren, aber wer konnte da schon sicher sein?
Thor schlüpfte in Lözgalts Zimmer, um nach dem Jungen zu sehen; er schlief, hielt das Brevier dabei in der Hand. Ich ging allein zu Flamme. Sie lag wach auf dem Bett und starrte zur Decke hoch. Ein kurzes, erleichtertes Flackern in ihren Augen war der einzige Hinweis darauf, dass sie sich um mich Sorgen gemacht hatte, und ich war froh um ihre Zurückhaltung. Ich hasste Leute, die immer einen Wirbel um alles machten. Ich wusste, dass sie sich Sorgen gemacht hatte; ich wusste, dass sie dankbar war. Ich musste es nicht noch eigens von ihr hören.
Sie hatte nicht geschlafen und würde es auch eine ganze Weile nicht tun, wenn ich die Zeichen richtig deutete. Ich ging zu ihr und setzte mich auf die Bettkante, nahm ihre Hand. » Alles in Ordnung?«
» Ich versuche, mir nichts aus dem zu machen, was sie mit meinem Körper getan haben. Das werde ich überstehen. Und ich kann auch die körperlichen Schmerzen heilen … aber nicht das hier.« Sie deutete auf ihren Arm. » Ein paar Tage noch, Glut. Dann hat es sich so weit ausgebreitet, dass es nicht mehr geheilt werden kann.«
» Ich gehe zu den Wahrern, sobald ich mich etwas sauber gemacht habe.« Tatsächlich hätte ich mich nach der langen Nacht am liebsten erst einmal ins Bett gelegt.
Ihre Miene war freudlos. » Pass auf dich auf, Feuersbrunst. Er ist bösartig. Unmenschlich. Er hat genossen, was er mir angetan hat. Es macht ihm Spaß, Schmerz zuzufügen. Er hat genossen zuzusehen, was die anderen mir angetan haben.« Sie schwieg einen Moment; ihre Augen waren Teiche aus dunkler Erinnerung. Dann kam ein Wispern. » Du bist auch vergewaltigt worden, nicht wahr?«
Ich nickte.
» Ich habe es in deinen Augen gesehen, als du mich in diesem Zimmer angesehen hast. Du hast es gewusst. Du hast meine Seele gesehen und verstanden … Es hat geholfen. Du hast nichts gesagt, aber irgendwie hast du mir etwas gezeigt: dass es keine Rolle spielt.«
» Das tut es auch nicht, nicht, wenn es erst vorbei ist und man überlebt hat. Nicht du hast das getan – sie waren es. Ich weiß nicht, ob dir das auch noch etwas hilft, aber zwei seiner Handlanger sind tot. Der Rothaarige und sein Bruder, der mit der Nase.« Die Menoden würden sagen, dass die wahre Gerechtigkeit für solche Verbrechen von Gott kommen sollte, nicht vom Menschen, und dass die Rache dem schadet, der sie ausübt. Sie irren sich. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie kathartisch ein solches Töten sein kann. Ich habe meine letzte Unschuld verloren, als ich das Messer in den Mann getrieben habe, der mich als Kind auf Breth vergewaltigt hatte – aber ich
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