Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
wieder zurück war; er hat mir gesagt, dass er gesehen hat, wie sie zurückgekommen ist. Und er wusste, dass ich letzte Nacht nach ihr gesucht habe. Verdammt. Der arme Junge.«
» Er lebt noch. Weißt du inzwischen, wer der Dunkelmeister ist?«
Ich schüttelte den Kopf. » Vielleicht hätten wir in Flammes Gefängnis warten und sehen sollen, wer da die Treppe hochkommt.«
» Wenn er genügend Leute bei sich gehabt hätte, wären wir jetzt ganz sicher tot.«
» Vielleicht. Ich vermute, er hat uns durch das Fenster abhauen gesehen, Thor. Er wusste, dass wir Wissende sind. Er hat uns die Bolzen aus Dunkelmagie aus Wut hinterhergeschickt, nicht mit der echten Hoffnung, uns töten zu können. Aber ich muss zurück. Ich muss zu Flamme.«
» Lözgalt ist zu den Wahrern gegangen, um sie um Hilfe zu bitten. Vielleicht haben sie in der Zwischenzeit irgendetwas getan.«
Er half mir sanft auf die Füße. Ich sah mich um; Domino war in den Sanddünen verschwunden. » Bist du allein hergekommen?«
» Ja. Ich habe ein Seepony gemietet.«
» Die Lanze von Calment schlägt wieder zu … Du hast eine niederträchtige Art zu schießen, Thor.« Er trug immer noch kein Schwert, aber immerhin hatte er jetzt ein Messer an seinem Gürtel und den Bogen und die Pfeile.
Er lächelte leicht. » Ganz im Gegenteil. Ich hatte tatsächlich vor, sie zu töten. Ich habe nur nicht mehr zustandegebracht, als sie mit Pfeilen zu spicken wie einen Räucherfisch mit Gewürzstäbchen. Ich bin aus der Übung. Ich habe seit Untercalment keinen einzigen Pfeil mehr abgeschossen.« Der Gedanke kam mir, dass ein paar davon vermutlich in meine Richtung gezielt gewesen waren. Vielleicht dachte er das Gleiche, denn plötzlich war da wieder etwas Fernes an ihm, eine Art Rückzug.
Ich berührte ihn am Arm. » Was ist los, Thor?«
Er drehte sich zu mir um und sah mich mit einem schonungslosen Blick an. » Ich bin zu spät gekommen, um dir helfen zu können. Ich weiß nicht, wie ich dir jetzt helfen kann.«
Es war nur die halbe Wahrheit, und ich wusste das. Etwas anderes beunruhigte ihn, aber ich bohrte nicht nach, sondern richtete meine Aufmerksamkeit auf das, was er zuvor gesagt hatte. » Du hast mir das Leben gerettet. Du hast die Folter beendet. Was könnte ein Frau in einer solchen Situation sonst noch verlangen? Im Augenblick kannst du mich einfach nur weiter lieben. Das ist alles, worum ich dich bitte. Ich bin so zäh wie getrocknete Krabben, Thor. Ich bin als Mischling geboren, und was das Überleben angeht, gibt es nichts, das mir irgendwer noch beibringen könnte. Aber jemanden zu haben, der mich liebt – das ist eine Freude, die ich bisher nicht erlebt habe.« Ich unterdrückte die Schmerzen, die im Stehen noch schlimmer wurden, und sagte ihm die Wahrheit: » Allein der Blick, mit dem du mich ansiehst, lässt mich alles ertragen, was das Schicksal für mich bereithält, auch wenn ein oder zwei Folterungen darunter sind.«
Ich holte tief Luft, als könnte ich auf diese Weise meine wirren Gedanken und chaotischen Gefühle ordnen, und ließ meine Hand von seinem Arm rutschen.
» Aber dafür ist jetzt keine Zeit – ich muss zu Flamme gehen.«
Er war wieder der handlungsfähige Mann, den ich kannte. » Kannst du auf einem Seepony reiten?«
» Natürlich. Wie weit ist es bis Gorthen-Hafen?«
» Drei Stunden am Strand entlang. Bist du sicher, dass du das kannst?«
Ich zwang mich zu einem Lächeln. » Hör auf, meine Mutter zu spielen, Thor. Das bin ich nicht gewöhnt.«
Er lächelte zögernd und nahm meine Hand.
Ich weiß nicht, warum diese Tiere als Seeponys bezeichnet werden; sie haben mit den echten Weidenponys, die ich von den Wahrer-Inseln kenne, nichts gemein. Es sind struppige Tiere, kaum größer als ein Hund. Abgesehen davon können Seeponys besser schwimmen als galoppieren. Sie haben Flossen an den Seiten und eine Schwanzflosse – und gar keine Beine. Es gibt sie heute außerhalb von Gorthen-Nehrung nur noch selten. Die Leute ziehen jene Tiere vor, die Ihr uns gebracht habt: Pferde. Ihr habt noch nie ein Seepony gesehen? Nun, am ehesten ähneln sie übergroßen Regenwürmern, vermute ich, aber selbst diese Ähnlichkeit gilt nur zum Teil. Im Gegensatz zu Regenwürmern haben Seeponys zum Beispiel einen Hals. Sie haben lange Körper mit vielen Segmenten, die jeweils mit einer harten Schale bedeckt sind, unter der sich das Körpergewebe verbirgt. Ihr Hals beginnt unten auf dem Boden, streckt sich aber von da aus weit nach oben, überragt
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