Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
Vom Netzwerk:
natürlich müssen sie auch scheißen, während sie fressen, und was sie scheißen, ist meistens pure Säure. Was die Schmerzen noch verstärkt, wie man mir gesagt hat, auch wenn ich kaum glauben kann, dass es unter diesen Umständen möglich ist, überhaupt noch mehr zu fühlen. Aber du wirst es ja gleich rausfinden, wie? Kannst es mir ja dann sagen; für die Zukunft, verstehst du.«
    » Lass mich jetzt endlich machen«, knurrte Sichel ihn an. » Er will diese verfluchte Information heute noch, nicht erst nächste Woche.« Er beugte sich wie beiläufig nach unten und schlitzte mir mit dem Messer quer über die Brust. Die Wunde war nicht besonders tief oder schwerwiegend; er wollte ja auch gar nicht, dass ich verblute. Er wollte einfach nur, dass alles schön lange dauerte …
    Domino ließ den Blutdämon auf den Schnitt fallen. Im ersten Moment spürte ich gar nichts. Sichel lächelte mich an und machte weitere Schnitte, einen auf meinem Bauch und einen auf meinem Oberschenkel. Das Wesen auf meiner Brust wand sich ein bisschen, als es sich auf der Wunde zurechtrückte, als würde es dorthin gehören. Sichel verschwand aus meinem Blickfeld, um kurz darauf mit weiteren Blutdämonen zurückzukehren. Er tastete mit seiner Hand unverschämt über meinen Körper, bevor er sie auf die anderen Wunden setzte. Dann löste er die Fessel an meinem Hals. » Wir wollen doch nicht, dass du dich selbst erwürgst, nicht wahr?«, sagte er.
    Einen Moment später riss Schmerz meinen Körper in Fetzen. Ich kann es nicht anders beschreiben.
    Ich hatte nicht schreien wollen. Ich hatte ihnen diese Befriedigung nicht geben wollen.
    Ich begann zu schreien und hörte nicht mehr auf zu schreien. Allerdings hörte ich selbst nichts – das ließ der Schmerz nicht zu. Ich hörte nichts, sah nichts, dachte nichts, konnte nur noch fühlen …
    Könnte man aufgrund eines bloßen Wunsches sterben, ich wäre in diesen ersten fünf Augenblicken gestorben.
    Die Zeit hat keine Bedeutung, wenn man gefoltert wird. Dreißig Augenblicke lang gequält zu werden fühlt sich an wie ein ganzes Leben. Wenn das Foltern nicht aufhört, gibt es kein Konzept, das noch in der Lage ist, die Spanne des Lebens zu umfassen – das Einzige, was noch existiert, ist die Sehnsucht nach dem Tod. Tod ist die Vision, die den Wahnsinn in Schach hält, und das Wissen, dass er kommen wird, ist das Einzige, was den endlosen Schmerz lindern kann. Ich dachte, ich würde mit diesem Schmerz sterben, und war froh darüber.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort mit den Blutdämonen in meinen Wunden gelegen habe. Als sie sie mir wieder abnahmen, hätte ich mich – hätte ich dafür die Kraft gehabt – bei ihnen bedankt. Die Sonne stand immer noch am Himmel; ein Schwarm kleiner Vögel flatterte im Dünengras herum; Seevögel kabbelten sich über den Wellen; es war alles so, wie es an einem gewöhnlichen Tag sein sollte.
    Ein mit Wasser getränkter Schwamm wurde mir an die Lippen gedrückt, und ich trank begierig, löste die vertrocknete Zunge vom Gaumendach und genoss die süße Feuchtigkeit, die den Stillstand einer unwirklichen Qual bedeutete. Jetzt tat es einfach nur noch weh. Schlimmer war das Wissen, dass ich ihnen früher oder später alles sagen würde, was sie von mir wissen wollten. Die Pfosten, mit denen sie meine Fesseln am Boden befestigt hatten, hatten sich bei meinem Kämpfen tatsächlich gelockert; sie hämmerten sie wieder fest, jetzt noch tiefer.
    An meinem Ohr erklang Dominos Stimme. » Den Namen, Miststück«, flüsterte er. » Der Kerl, der bei dir war, als du das Burgfräulein geholt hast. Rasch, sonst machen wir die ganze Woche weiter.«
    Ich öffnete die Augen und sah Sichel mit gleichgültiger Miene daneben stehen. Er verriet bei weitem nicht so offensichtlich wie Domino, dass er meinen Schmerz genoss. Sichel, ein Halbblut wie ich, war ein professioneller Folterknecht. Ein gewohnheitsmäßiger, der sich auskannte … Und ich spielte mit dem Leben des einzigen Mannes, den ich jemals geliebt hatte.
    » Thor Reyder. Thor Reyder – von der Trunkenen Scholle.« Ich stolperte über den Namen. Geliebter. Vergib mir.
    Das Schweigen schien ewig zu währen.
    Dann fragte Domino: » Nun?«
    Und Sichel schüttelte den Kopf. » Nein. Dazu ist sie zu gut. Er schätzt, dass sie im Dienst der Wahrer steht. Und die stellen nur die besten ein. Außerdem ist sie ein Mischling.« Er gab ein zynisches Lachen von sich. » Du hast keine Ahnung, was das bedeutet, Dom, aber ich weiß es.

Weitere Kostenlose Bücher