Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
ganze Widerstandskraft benötigen werde! Es hat mich übrigens gefreut zu hören, dass Tante Rosris ihre erste Erscheinung gehabt hat. Ich weiß, wie sehr sie viele Jahre lang gebetet hat, eine der Gesegneten sein zu dürfen, die beim Fest der heiligen Menara so etwas erleben können. Vetter Edgerl schreibt, das Gesicht meiner Tante hätte durch das Wunder der visuellen Erfahrung ganz verändert gewirkt. Ich lebe in der Hoffnung, dass ich eines Tages in ähnlicher Weise gesegnet sein werde, und dass auch mein Gesicht erstrahlen wird durch das Wunder, Gott vor mir zu sehen.
Was die Absonderlichkeiten in den Gesprächen betrifft, die ich dir bisher geschickt habe, hast du natürlich vollkommen Recht. Sie haben auch hier für beträchtliche Verwirrung gesorgt, nicht nur bei uns Forschern an Bord der K.S. Seeströmung , sondern auch bei den unzähligen kellischen Kaufleuten und Missionaren, die mit den Inselbewohnern schon viel länger zu tun haben als wir. Was soll man von einem Volk halten, das in einer Art und Weise über Magie spricht, als wäre es selbst mit ihr in Kontakt geraten; was sollen wir denken, wenn Leute die Dunstigen so darstellen, als würden sie einerseits existieren und andererseits doch wieder nicht; was sollen wir von Leuten halten, die felsenfest behaupten, die Tätowierungen in ihren Ohrläppchen wären von einer Rasse Außerirdischer hergestellt worden, die kein Kelle je gesehen hat?
Sind Glut Halbblut und andere ihrer Art einfach nur außerordentliche Lügner, die gern unmögliche Geschichten erfinden? Oder glauben sie selbst, was sie uns erzählen, wie unwahrscheinlich es in unseren Ohren auch klingen mag? Ich schicke dir einen weiteren Packen Gespräche mit; noch mehr Geschichten über Intrigen und, wie ich hoffe, Einblicke in eine Kultur, die – leider – in dieser Form nicht mehr existiert. Zum Teil liegt das am Kontakt mit den Kellen, zum Teil liegt es an jener Episode in ihrer eigenen Geschichte, die sie den Großen Wandel nennen.
Ja, ich habe sehr intensiv daran gearbeitet, meinen Geist offen zu halten und meine eigenen kulturellen Erfahrungen nicht in die Aufzeichnungen der mündlich überlieferten Geschichte einfließen zu lassen, aber Gott weiß, es ist manchmal sehr schwer.
Stets
Dein treuer Neffe,
Shor iso Fabold
* * *
11
Ich brauchte nur einen einzigen Blick auf Flamme zu werfen, und meine eigenen Schmerzen waren wie weggeblasen. Sie wehrte sich gegen das, was mit ihr geschah, aber es war ein Kampf, den sie verlor. Ihr Arm war übel gerötet und bis zum Ellenbogen geschwollen, die Haut heiß und angespannt. Allerdings gab es noch keinen Hinweis auf irgendeine Fäulnis, die ein tödliches Geschwür aus Dunkelmagie inzwischen eigentlich hätte verursacht haben müssen, und sie schien auch keine Schmerzen zu haben. In ihren Augen stand Angst, kein Schmerz, und zwar so viel Angst, dass ich ihren Blick kaum aushalten konnte.
Lözgalt packte meinen Arm, kaum dass ich den Raum betreten hatte; der bemitleidenswerte Mann schien sich regelrecht an mich zu klammern. » Wo wart Ihr denn? Wisst Ihr nicht, wie sehr sie leidet? Ihr hättet hier sein sollen. Die Wahrer haben sich geweigert, mich anzuhören! Wie konntet Ihr nur weggehen und sie allein lassen?«
Es war Thor, der ihn beruhigte und mir dadurch die Möglichkeit verschaffte, zu Flamme zu gehen. Sie machte mir keine Vorwürfe, aber ihre gemurmelten Worte schmerzten dennoch. » Das Böse wächst mehr und mehr in mir«, sagte sie. » Ich fange an zu hassen … Ich denke schreckliche Dinge über alle.« Sie sah ihren Arm entlang. » Er ist nur deshalb so, weil ich mich dagegen wehre. Sobald ich nachgebe, wird die Schwellung nachlassen … aber in meinem Innern … o Gott, Glut, in meinem Innern! Glut, lass mich nicht so leben. Versprich es mir. Wenn die Wahrer versagen …«
Ich erkannte meine Stimme kaum wieder, als ich ihr das Versprechen gab. » Ich sorge dafür, dass du tot bist, bevor du dich der Dunkelmagie ergibst. Das schwöre ich.«
» Wenn Ihr sie tötet, bekommt Ihr es mit mir zu tun«, spuckte Lözgalt in meine Richtung.
Thor mischte sich jetzt mit weicher Stimme ein. » Wir haben ein Seepony unten. Könnt Ihr Flamme nach unten tragen, Noviss? Wir bringen sie zur Herz der Wahrer.« Er berührte mich am Arm, um mir zu zeigen, dass er begriff, wie dünn die Haut war, die meine Gefühle zurückhielt. Zu viel war an diesem Tag passiert. Ich sehnte mich danach zu baden und meine eigene Vergiftung wegzuwaschen, gehalten
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