Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
und verwöhnt zu werden und mich beschützt zu fühlen.
Stattdessen brachten wir Flamme zum Schiff der Wahrer.
Als Thor und ich vom Strand zur Trunkenen Scholle zurückgekehrt waren, hatte ich darauf bestanden, dass er nicht zusammen mit mir gesehen wurde. Daher hatte ich gleich bei den ersten Häusern von Gorthen-Hafen dafür gesorgt, dass er allein zur Schenke zurückkehrte. Genauso machte er sich jetzt auch allein auf den Weg zur Anlegestelle des Schiffes. Es war die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, um ihn zu schützen, aber wir wussten beide, dass es nur ein schwacher Schutz war. Ich hatte nicht gewollt, dass er mit uns allen zur Herz der Wahrer ging, aber er bestand darauf, wahrscheinlich, weil er wusste, wie nahe ich einem Zusammenbruch war und wie sehr ich seine Unterstützung brauchte. Er stieß am Schiff wieder zu uns, während der Festenerbe mir half, Flamme dorthin zu bringen.
Die Wache auf dem Schiff bestand aus einer Silbmagierin mit einer derart krummen Nase, dass die Harmonie ihres Gesichtes zerstört wurde. Sie hatte eine Silbbeschwörung gewebt, um den unansehnlichen Zinken gegen eine niedliche kleine Stupsnase auszutauschen, und es gefiel ihr nicht im Geringsten, mir zu begegnen. Mein Weißbewusstsein ließ die Stupsnase zu einem silbernen Schatten verkümmern, der meine Aufmerksamkeit sogar erst recht auf den Makel lenkte, der verborgen werden sollte. Was sie auch wusste. Sie wusste, wer ich war, und sie wusste auch, dass ich sie genau so sah, wie die Natur sie erschaffen hatte, und sie hasste es. Sie war mürrisch und weigerte sich, uns an Bord zu lassen.
Ich beharrte darauf, mit Syr-Silb Dasrick zu sprechen, und schließlich gab sie nach und ließ uns die Landungsbrücke hochgehen. Als wir allerdings auf Deck standen, wechselten Thor und ich einen Blick; wir fragten uns beide, ob die Wahrerin nicht vielleicht noch einen anderen Grund dafür hatte, uns vom Schiff fernzuhalten. Irgendwo tief unter uns in den Eingeweiden des Schiffes stank etwas deutlich nach den Schutzzaubern der Silbmagier. Um so etwas aufrechtzuhalten, musste ein hohes Maß an Kraft aufgebracht werden, und ich konnte mir um nichts in der Welt vorstellen, was das Schiff transportieren mochte, das ein solches Geflecht an Schutzzaubern nötig machte.
Wir wurden in die Offiziersmesse gebracht: Lözgalt, Flamme, Thor und ich. Flamme stand aufrecht, musste aber von Lözgalt gestützt werden. Während wir warteten, setzten die beiden sich auf zwei nebeneinander stehende Stühle. Lözgalt konnte seinen Blick nur mühsam von Flammes Arm abwenden, was eher wenig zu ihrer Beruhigung beitrug. Thor starrte durch die Luke nach draußen; er wirkte nachdenklich und zurückhaltend. Ich ging herum und sah mir den Raum an. Er war durchgängig mit Holzpaneelen getäfelt, an der Decke befanden sich zudem kunstvoll geschnitzte Leisten und auf dem Boden waren Muster eingearbeitet. Ölgemälde mit Szenen aus der Geschichte der Wahrer-Inseln hingen an den Wänden: der idyllische Anblick herumtollender Kinder, rotwangige melkende Frauen und ordentlich gestapelte Heuballen, in denen sich unnatürlich niedliche Mäuse tummelten; sauber gepflasterte Straßen mit tadellos gekleideten Männern und lächelnden Gattinnen, die mit sich beschäftigt waren, während sich die Kinder in makellos weißen Kinderkleidchen mit Seilhüpfen die Zeit vertrieben oder mit Hunden spielten. Irgendwie hinterließ es bei mir das Gefühl, als hätte ich einen ganzen Krug Honig auf einen Schlag gegessen.
Etwa zehn Minuten später trat Dasrick ein. Er war allein, und seine violettfarbenen Augen blitzten vor Verärgerung. Sein Blick glitt kurz zu Thor und sogleich über ihn hinweg. Er konnte nicht wissen, dass Thor ein Wissender war, und offensichtlich hatte er weder an der Haltung noch an der Kleidung des Versprengten etwas gefunden, das einen Rat der Wahrer interessieren mochte. Er nickte Lözgalt zu und wurde – zumindest ein bisschen – höflicher; vielleicht, weil der teure Stoff von Lözgalts Umhang ihn als jemanden auswies, der mindestens zu den Wohlhabenden gehörte, wenn er nicht noch bedeutender war.
Ich erklärte ihm, was mit Flamme geschehen war, und er ließ seinen Blick über sie schweifen, ohne sich durch ihre Furcht und Schönheit beeindrucken zu lassen. Er schnitt mir schroff das Wort ab. » Ich kann selbst sehen, was los ist, Glut. Ich bin nicht blind. Und dieser junge Mann war heute schon einmal hier und hat mir alles in voller Länge erzählt, wenn
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