Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
Vom Netzwerk:
sogar noch einen großen Mann. Der Kopf unterscheidet sich nur wenig vom Hals. Vorne befinden sich die Stielaugen, Fühler und Mundwerkzeuge. Die Atemorgane sind zwar auf dem gleichen Segment, aber auf der anderen Seite, dem Reiter zugewandt. Oder den Reitern. Ein Seepony kann fünf bis sechs Leute auf einmal befördern – mehr als Eure Pferde!
    Wie auch immer, ich war an diesem Tag sehr dankbar dafür, dass ich ein Seepony zur Verfügung hatte. Thor setzte mich so vor sich, dass wir uns ein Segment teilten. Er wusste, wie geschwächt ich war, und wollte mich auf dem Ritt stützen: Der Rhythmus eines Seeponys kann ziemlich übel sein. An Land bewegen sie sich dadurch, dass sie ihre Segmente zusammenziehen und dann den vorderen Teil nach vorn stoßen; wenn man nicht aufpasst, kann man leicht mit einem gebrochenen Hals enden, wenn sie erst richtig loslegen. Das Reiten auf ihnen ist eine Kunst, aber ich hatte jedes Tier geritten, das es auf den Ruhmesinseln gibt, Seeponys mit eingeschlossen, und sie alle gemeistert. Ich stellte meine Füße in die von Menschen erzeugten Höhlungen an den Segmenten und ließ mich gegen Thors Brust sinken. Er nahm die Zügel, die durch eine Halterung am Kopf des Seeponys befestigt waren.
    » Bist du so weit?«, fragte er.
    Ich drehte mich um und wollte nicken, aber stattdessen schnappte ich scharf nach Luft. Von hier oben aus, auf dem Dünenkamm, konnte ich erkennen, was vom Sand aus nicht zu sehen gewesen war: ein Dorf. In dem dämmrigen Licht waren die Umrisse nur noch gerade eben auszumachen. Aber nicht die Erkenntnis, dass es dieses Dorf gab, hatte mich nach Luft schnappen lassen: Es war das wütende rote Glühen, das darüber zu hängen schien. Ich hörte Niamors Worte in meinem Kopf widerhallen: Tatsächlich scheinen diejenigen, die dorthin gehen, nicht mehr zurückzukehren.
    » Im Namen aller Inseln«, flüsterte ich, » was für eine Abscheulichkeit ist das?« Ich wusste natürlich, dass es Dunkelmagie war. Was mich verblüffte, war ihr Ausmaß. So etwas hatte sicherlich nicht nur ein einziger Dunkelmeister zustande bringen können.
    Thor drängte das Tier vorwärts, indem er einen Reitstock in die weiche Haut zwischen die Segmente stieß. » Hier befindet sich weit mehr als nur ein einziger Dunkelmeister«, sagte er. » Das ist eindeutig.«
    » Das müssen die Wahrer erfahren …«
    » Ich nehme an, sie wissen es bereits.«
    » Du verschweigst mir etwas.« Ich hatte es nicht sagen wollen. Ich hatte ihn nicht zwingen wollen, mir seine Geheimnisse zu verraten, aber meine Furcht hatte meinen Respekt vor seiner Privatsphäre beiseitegeschoben.
    » Im Laufe des letzten Jahres sind viele Silbbegabte verschwunden«, sagte er betont sachlich.
    Ich dachte an Flamme. Eine Silbmagierin, der die Bezwingung drohte. Die durch die Dunkelmagie dazu gebracht wurde, sich in eine Perversion ihrer selbst zu verwandeln.
    Ich warf noch einen weiteren Blick zu dem Dorf, und mein Magen krampfte sich vor Übelkeit zusammen. Das Rot war mehr als nur die Verunreinigung durch Dunkelmagie. Es war eine Krankheit, die fraß, was einst wahr gewesen war; das Böse, das aus dem Guten geschmiedet wurde; ein Krebs, der aus gesundem Fleisch und gesundem Geist entstand.
    » Oh, lieber Gott …« Die Worte platzten einfach so aus mir heraus. In meinem Schrecken drehte ich mich zu ihm um. » Und du willst die Wahrer verurteilen? Sie sind die Einzigen, die das aufhalten können.«
    Er schüttelte den Kopf in einer unerbittlichen Geste. » Nein, Glut. Nur die Wissenden können das aufhalten. Silbmagier können verdorben werden, so wie Flamme jetzt verdorben wird.« Er stieß das Seepony wieder an, und es beschleunigte seinen Schritt.
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Jeder Gedanke, den ich hatte, entsetzte mich.

* * *
    Brief des Feldforschers (Sonderbeauftragten) S. iso Fabold, Nationalforschungsministerium, Bundeshandelsministerium, Kell, an den Leitenden M. iso Kipswon, Präsident der Nationalen Gesellschaft für das Wissenschaftliche, Anthropologische und Ethnographische Studium nicht-kellischer Völker.
    Heutiges Datum, 13. – 1. Doppelmond – 1793
    Lieber Onkel,
    ja, es würde mich sehr freuen, wenn ich vor und nach meinem Vortrag vor der Gesellschaft bei dir und Tante Rosris wohnen darf. Und ich habe deine Warnung bezüglich der bezaubernden Miss Anyara isi Teron vernommen und werde mich gegen ihr Lächeln wappnen. Da meine Tante stets einen tadellosen Geschmack hat, bin ich sicher, dass ich meine

Weitere Kostenlose Bücher