Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
er es nicht war. Wirklich schade, denn ich wollte ihn schon, wenn ich ihn nur ansah. Es war immerhin einige Zeit her, seit ich einen Mann in meinem Bett gehabt hatte.
Ich trank aus und stand auf. » Ich habe hier ein Zimmer, für den Fall, dass Ihr mir ein geschäftliches Angebot unterbreiten wollt.« Dann nickte ich freundlich und ging zur Treppe. Auf meinem Weg dorthin ließ ich meinen Blick zu der Cirkasin schweifen und dachte, dass eine Schönheit wie sie nicht an einen solchen Ort gehörte, genauso wenig wie der Jugendliche, bei dem sie saß. Sie würde keine vierundzwanzig Stunden überleben, wenn sie nicht einen Beschützer fand. Vorausgesetzt natürlich, dass nicht sie die Quelle der Dunkelmagie war. Aber wenn sie es nicht war, dann hatte sie sich einen schlechten Tisch ausgesucht. Es wäre besser für sie gewesen, sie hätte an meinem gesessen. Ich kümmerte mich nicht um ihre Sicherheit, verständlicherweise, aber ich wäre bereit gewesen, ihr als Gegenleistung für Informationen Schutz zu bieten, während dieser hübsche Junge da für sie ebenso sehr von Nutzen sein würde wie ein Mast ohne Segel – die Grundlagen waren vorhanden, aber wo lag der Sinn, wenn die richtige Ausstaffierung fehlte?
Ich zuckte im Geiste mit den Schultern und ging die Treppe hoch.
Als ich den ersten Absatz erreichte, sah ich noch einmal zurück, und mein Blick begegnete dem des großen, breitschultrigen Mannes von den Südinseln, der ganz in Schwarz gekleidet war. Sein Gesicht hatte sich nicht verändert, aber etwas ließ mich innehalten. Da war ein starkes Gefühl: Erkennen . Auf seiner Seite … oder meiner? Seltsamerweise konnte ich es nicht sagen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich ihm zuvor schon einmal begegnet war, und sein Gesicht war immer noch ausdruckslos – und doch hing dieses Gefühl zwischen uns in der Luft.
Ich fühlte mich ungefähr so glücklich wie eine Krabbe, die gleich in kochendes Wasser geworfen wird. Intuitive Gefühle bedeuteten immer Ärger.
Voller Angst vor dem, was ich nicht verstand, drehte ich mich um und ging die Treppe weiter hinauf.
Als ich in meinem Zimmer war, verschloss ich die Tür und riss die Fensterläden auf, um tief Luft zu holen. Es war eine Erleichterung, dem Gestank der Dunkelmagie entkommen zu sein, auch wenn die Alternative lediglich in alles durchdringendem Fischgeruch bestand. Mein Zimmer lag über den Trockengestellen der Kais der Fischer, aber es hätte keinen großen Unterschied bedeutet, wäre es auf der anderen Seite des Gebäudes gewesen. Frischen Fisch, gesalzenen Fisch, eingelegten Fisch, getrockneten Fisch, geräucherten Fisch, verwesenden Fisch – wohin man sich auf Gorthen-Nehrung auch wandte, überall gab es Fisch. Zappelnde Fische in Booten, bratende Fische in Öfen, trocknende auf Gestellen, welche, die in der Lake gepökelt wurden, andere, die in Rauchhäusern aufbewahrt wurden, geschuppte Fische, ausgenommene, filetierte, getrocknete, gebratene, aufgespießte, geröstete, verkaufte, gegessene Fische. Wenn man eine der Straßen in der Nähe der Docks entlangging, knirschte immer eine ganze Lage von getrockneten Fischschuppen unter den Füßen. Ihr glaubt, ich übertreibe? Nun, Ihr wart eben noch nie auf Gorthen-Nehrung.
Jenseits der Trockengestelle saßen etwa sieben oder acht Fischer auf Fischkisten um Weidenkörbe mit frischer Seezunge herum, von denen einige noch so frisch waren, dass sie aus dem Korb und auf die rauen Holzplanken des Kais sprangen. Die Fischer – sowohl Männer als auch Frauen – nahmen ihren Fang mit geübter Flinkheit aus. Die Innereien und Schuppen flogen unter Gelächter und rauem Geplapper nur so durch die Luft. Ich fragte mich, worüber sie lachten; es war heiß da draußen, selbst im Schatten der Schenke, und mir hätte ihre Arbeit nicht gefallen.
Ich ließ meinen Blick etwas höher wandern. Ein Stück weiter, auf der anderen Seite des Kais, sah ich eine Reihe baufälliger Gebäude. Die vorherrschende Baumethode in dieser Gegend bestand darin, irgendwelche zufällig greifbaren Materialien zusammenzuhämmern, bis man fertig war oder nichts Brauchbares mehr hatte. In diesem Land ohne Bäume kam der größte Teil der Baumaterialien auf die eine oder andere Weise aus dem Meer, auch wenn ich bei meinem ersten Besuch auf der Nehrung ein Wirtshaus gesehen hatte, das ganz aus Bierfässern bestand und einen Laden, dessen Wände aus leeren Flaschen gebildet wurden. Die Gebäude, auf die ich gerade blickte, waren alle aus
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