Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
er von Beruf Schlachter ist, auch wenn er jetzt Fisch verkauft. Ich habe außerdem gehört, dass er gezwungen war, die Nordinseln zu verlassen, weil er eines Tages seine Frau zerstückelt und seinen Kunden als erstklassiges Schweinefleisch verkauft hat.«
» Machst du Witze?«
Er schüttelte den Kopf. » Das habe ich so gehört.«
» Wo könnte ich ihn finden?«
» Jetzt, um diese Zeit? Er hängt vermutlich in diesem erbärmlichen kleinen Wirtshaus rum, in dem sich alle Fischzerleger herumtreiben. Es hat keinen Namen, aber es befindet sich beim Fischmarkt. Es dient gleichzeitig auch als Bordell, und du erkennst es an dem Türsteher, der den Eingang schmückt. Er ist so groß wie ein Wal.« Er schüttelte den Kopf, als würde ihn meine Tollkühnheit zur Verzweiflung treiben. » Wenn du wirklich einen Schlachter nehmen willst, obwohl du eigentlich einen Arzt brauchst – was reiner Irrsinn ist –, solltest du dir lieber auch einen Kräuterkenner holen. Es gibt zurzeit einen sehr guten auf der Insel, auch wenn das vielleicht schwer zu glauben ist. Du findest ihn in der Kerzenmacherstraße. Er wohnt da zusammen mit einer Mischlingsfamilie – einem Kerl namens Wuk und seiner Frau und ihren Kindern. Sein Name, der des Kräuterkenners, meine ich, lautet Garwin Gilfeder. Er stammt aus Mekaté. Ist ein ziemliches Unikum.«
Ich war ihm dankbarer, als er ermessen konnte, und berührte seine Wange. Es kam mir fast so vor, als würden sich die Dinge schließlich doch noch zum Guten wenden. » Danke, Niamor. Pass auf dich …«
Er küsste mich auf den Mund, aber ohne Leidenschaft. » Nur ein vorübergehendes Lebewohl, hoffe ich, mein hübscher Heißsporn. Und ich hoffe immer noch, dass wir eines Tages das Bett miteinander teilen. Pass du auch auf dich auf, ja?«
Ich borgte mir eine Laterne von Niamor und machte mich erst einmal daran, den Kräuterspezialisten zu finden.
Es war nicht allzu schwer. Ein Mann, der auf dem Gehweg der Kerzenmacherstraße ranzigen Talg aus einem Bottich verkaufte, erklärte mir, wo Wuk wohnte. » Das Haus mit den vielen Leuten davor«, sagte er und deutete mit einem fettigen Finger die Straße entlang.
» Was tun die Leute da?«, fragte ich. Es mussten etwa dreißig Leute in einer Schlange vor dem Haus stehen. Es war ein schmales Gebäude, zwei Stockwerke hoch und aus Steinen, die mit Muschelschmiere in einem zufälligen Mosaik zusammenzementiert worden waren und dessen Stabilität durch ein Dach aus Seetang noch verbessert wurde.
Er zuckte gleichgültig mit den Schultern, aber er antwortete. » Bei ihnen wohnt der Kräutermann. Verkauft Medizin, die hilft, kann man das glauben? Er ist einer von den Medizinmännern von Mekaté.«
Das klang vielversprechend. Das Problem war nur, dass ich nicht die Zeit hatte, mich in die Warteschlange zu stellen. Ich nickte dankend und ging mit zielstrebigem Schritt zu dem Gebäude. Als ich da war, sah ich, dass die Leute vor einer behelfsmäßigen Holzscheune an der Seite des Hauses warteten. Ich ging an ihnen vorbei, als wüsste ich genau, was ich tat, öffnete die Tür zu der behelfsmäßigen Scheune, ohne anzuklopfen, und schloss sie gleich wieder hinter mir.
Das Innere war reizlos – der übliche Mischmasch aus Materialien, die irgendwie zu Mauern und einer schlichten Einrichtung zusammengeschustert worden waren. Eine Seeöllampe beleuchtete den Kräuterspezialisten, der mit gekreuzten Beinen auf dem Boden neben einer riesigen Seekiste saß. Seine Kundin, eine alte Frau, saß vor ihm auf einem Stuhl. Sie starrten mich beide an, dann wandte der Mann seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zu. » Folgt genau den Anweisungen, verstanden? Keine Änderung.«
Sie nickte ernst, während er einige Blätter zusammenfaltete und zusammen mit einigen Samen in ein Kästchen aus Seetang packte. » Und was soll’s kosten, Syr?«
» Kein Syr«, sagte er mit einem Lachen. » Der hier nicht. Ich bin nur ’n bescheidener Selberhirte aus ’nem fernen Land. Zahlt, was Ihr wollt, werte Dame, nicht mehr und nicht weniger.«
Verschämt ließ sie einige Münzen in seine Hand gleiten und verneigte sich kurz vor ihm. Auf ihrem Weg nach draußen machte sie einen Bogen um mich herum, ohne ein Wort zu sagen, und zog die Tür wieder hinter sich zu.
Der Kräuterspezialist begegnete meinem Blick, und wir musterten einander. Er war jenseits des mittleren Alters, dieser Garwin Gilfeder, und vollkommen anders als jeder Mensch, den ich bisher gesehen hatte – und das, obwohl ich
Weitere Kostenlose Bücher