Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
aber keine Dunkelmagie entdecken. Es war nicht schwer, das Wirtshaus zu finden, das Niamor beschrieben hatte. Und es war tatsächlich noch heruntergekommener als alles, was ich bisher auf irgendwelchen anderen Inseln gesehen hatte. Auf jeden Fall stank es heftiger. Der wuchtige Türsteher wollte mich erst gar nicht reinlassen. Ich hatte, wie es schien, das falsche Geschlecht. Die Vordertür wurde nur von Männern benutzt, während die Frauen – die allesamt zu dem hier zuständigen Zuhälter gehörten – durch die Hintertür ein und aus gingen.
Und so hatte ich eigentlich überhaupt keine Lust, diesen Ort zu betreten.
Ich hob eine Hand an meine Schulter, um nach dem Schwertgriff an meinem Rücken zu tasten, und streckte ihm mit der anderen eine Münze hin. » Ist da drin ein Mann namens Bleud?«, fragte ich.
Der Türsteher lachte schallend. » Ja. Der ist allerdings da drin.« Er zupfte die Münze aus meinen Fingern. » Du willst mit ihm reden? Ich ruf ihn her; das will ich sehen.«
Bleud entpuppte sich als riesiger Mann, dessen Körper eine beeindruckende Mischung aus Fett und Muskeln war, was gewöhnlich auf einen Ringer hindeutete. Er wirkte ziemlich sauber, aber er roch nach Fisch. Er musterte mich ungläubig von oben bis unten. » Mischlingsdreck ist nicht meine Sache«, sagte er.
» Komm schon«, wandte der Türsteher ein. » Sie passt von der Größe her genau zu dir, Bleud.«
» Ich möchte Eure Dienste als Schlachter«, sagte ich. » Und ich bezahle dafür. Ihr seid doch ein Schlachter, oder?«
» Der beste von Obercalment – vor langer Zeit.«
In diesem Augenblick kamen weitere Kunden, und die Aufmerksamkeit des Türstehers wurde abgelenkt. Ich zog Bleud beiseite. » Habt Ihr Eure Werkzeuge noch?«
» Was ist ein Schlachter ohne Beil?«
» Wisst Ihr, wie man ein Sorgret vorbereitet und dressiert, um ihn als Calmenter Rostbraten füllen zu können?« Es war das Schwierigste, das man, wie ich dachte, jemals von einem Calmenter Schlachter verlangen konnte, und es beinhaltete sowohl das Ausbeinen als auch etwas heikles Zusammennähen.
» Sicher.«
» Ich zahle Euch zwanzig Setus für eine besondere Arbeit. Aber sie muss gut werden.«
» Zwanzig Setus? Was auf allen Inseln der Welt soll ich für Euch schlachten – ein Seepony?«
Und ich erklärte es ihm.
Eine halbe Stunde später erreichten wir die Trunkene Scholle, nachdem wir kurz bei Bleud gestoppt hatten, um seine Arbeitswerkzeuge zu holen. Ich hatte bei der Gelegenheit einen Blick auf seinen Schlachterkoffer werfen können; seine Messer und Beile und Sägen waren in Calment gefertigt worden, was von hoher Qualität zeugte. Er pflegte sie auch weiterhin, und so waren sie so scharf, dass sie das Rückgrat eines Seeigels der Länge nach hätten zerteilen können.
Garwin Gilfeder wartete bereits in der Schenke, und wir gingen gemeinsam die Treppe hoch. Wir waren gerade zur Hälfte hinaufgestiegen, als Garwin meinen Ellenbogen packte. Ich drehte mich um und sah ihn an. In dem schwachen Laternenlicht konnte ich sehen, dass seine Nasenspitze vor Erregung zuckte. » Was ist das?«, zischte er. » Was wird hier gespielt, Mädchen?«
» Was meint Ihr?«
» Ich rieche es«, sagte er. » Die Falschheit.«
» Seid Ihr ein Wissender?« Aber noch während ich das fragte, wusste ich, dass das nicht sein konnte. Wenn er Weißbewusstsein gehabt hätte, wäre es mir vorher aufgefallen. Ich hätte es gespürt.
» Beim Leichenhaus, nein. Ist das Dunkelmagie, was ich da rieche?«
» Ja, das ist es.« Ich war verwirrt. Wie konnte er Dunkelmagie riechen, wenn er kein Wissender war?
Jetzt starrten mich beide finster an, und ich fügte rasch hinzu: » Es geht um ein Geschwür, das durch Dunkelmagie verursacht wurde und entfernt werden muss. Hier ist kein Dunkelmagier.«
Meine Worte beruhigten sie nur zum Teil. Ich ging zuerst allein in Flammes Zimmer, ließ die beiden an der Tür stehen. Sie beäugten einander, der eine ein hirnloser Hai, der andere ein ränkeschmiedender Tintenfisch, schätzten einander ab und fragten sich, was hier wohl vor sich ging.
Thor und Lözgalt waren beide anwesend. Flamme lag auf dem Bett. Die Schwellung ihres Armes hatte angefangen, zurückzugehen, aber dafür waren jetzt ihre Augen glasig geworden; sie konnte kaum irgendetwas genau ansehen. » Ich habe einen Arzt mitgebracht«, sagte ich ohne große Umschweife.
» Einen Arzt? Mir kann kein Arzt helfen.« Sie machte eine niedergeschlagene Geste. » Das solltest du eigentlich
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