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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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gedacht hatte, ich hätte alle Völker der Ruhmesinseln bereits kennen gelernt. Er stammte aus Mekaté, das stimmte; das Laternenlicht schimmerte auf der Perle, die in die Kaninchentätowierung auf seinem Ohrläppchen eingearbeitet worden war. Allerdings fand ich keinerlei Ähnlichkeit zwischen ihm und den anderen Leuten aus Mekaté, denen ich bisher begegnet war. Sie alle hatten die dunkle Haut des Südens, so wie die Fellih-Gläubigen mit ihren hohen Hüten. Es waren hochnäsige, glattrasierte, adelig wirkende Leute mit tiefen, schwarzen Augen. Dieser Mann hier wirkte vor allem rot. Und er war haarig. Er hatte breite Schultern, war aber vermutlich nicht sehr groß. Seine Haare waren rot, oder besser rotblond, wie ich es nie zuvor gesehen hatte, und ganz und gar kräuselig. Sie umgaben seinen Kopf wie eine wilde Anordnung aus Flausch, das einem Bergwidder von Calment würdig gewesen wäre. Sein Bart war ebenfalls rot, und graumeliert. Eine große, lange Nase mündete in ein scharfes, rotes Ende, das eigenartig beweglich zu sein schien. Die Spitze wand sich in meine Richtung, wie bei einem Hund, der einen interessanten Geruch in der Luft wahrgenommen hatte.
    Seine Haut war weiß, aber mit roten Flecken übersät, abgesehen von den Stellen, an denen dicke, kringelige Haare wuchsen, was an seinen Armen und auf seiner Brust der Fall war, soweit ich es sehen konnte. Er war wirklich ein roter Mann.
    Die Kleider, die er trug, passten zu seinem wilden Aussehen, auch wenn sie mir bei der erdrückenden Hitze von Gorthen-Nehrung ungeeignet vorkamen. Sie bestanden aus einer Art rauer Wolle, die in einem Twillmuster gewebt war, was für das Auge verwirrend war und umso verblüffender wirkte, als der Stoff in zufällige Falten gebunden war, die er um seinen Körper mehr gelegt hatte als genäht oder gebunden oder zugeknöpft.
    Ich sah sein Gesicht an. Seine Augen waren fleckig, und ich konnte nicht ganz erkennen, was die vorherrschende Farbe war. Ein tiefes Schiefergrau? Oder vielleicht das dunkle Rotschwarz von frisch vergossenem Blut?
    Diese Augen betrachteten mich mit belustigter Skepsis, wie mir plötzlich klar wurde.
    » Nun, kleine Frau«, sagte er schließlich. » Habt Ihr Euch sattgesehen?«
    » Entschuldigung«, sagte ich rasch und bemühte mich, wieder meinen Verstand einzuschalten. » Seid Ihr der Kräuterspezialist Garwin Gilfeder?«
    » Arzt«, berichtigte er mich. » Zu Euren Diensten. Und ich glaub nich, dass Ihr gewartet habt, bis Ihr an der Reihe seid.« Seine Stimme hatte einen singenden Tonfall, der zauberhaft und melodisch war; sie machte es einem leicht, die Bissigkeit seiner Worte zu überhören.
    » Nein. Es ist ein Notfall.«
    » Ihr kommt mir ziemlich gesund vor.«
    » Eine Freundin braucht dringend einen Wundarzt, wenn sie nicht sterben soll.«
    » Oh, Mädchen, ich bin kein Wundarzt. Ich mag kein Blut.«
    Ich sah zu der Seekiste hin. Sie hatte einen aufklappbaren Deckel und aufklappbare Seiten, die jetzt alle weit geöffnet waren und einen Wandschrank offenbarten. An der einen Seite befanden sich etliche rechteckige Schubladen, die beschriftet waren, auf der anderen waren Regale mit verschlossenen Flaschen und verkorkten Keramiktöpfen. Auf dem Boden vor uns befand sich ein kleiner Stößel mit einem Mörser, und daneben stand eine Messingkohlenpfanne, die nicht größer war als ein Nachttopf, und mit glühend heißen Kohlen gefüllt war.
    Ich sah zu ihm zurück. » Aber Ihr könnt sie doch bewusstlos machen, oder? So dass sie während der ganzen Sache schläft. Ich habe gehört, dass die Medizinmänner aus Mekaté dieses Geheimnis kennen … Und Ihr habt Salben, die eine anschließende Entzündung verhindern können …«
    » Oh. Ja, schon möglich.« Er zuckte mit den Schultern. » Nichts is gewiss, wisst Ihr.«
    » Ich bezahle Euch zehn Setus, wenn Ihr in einer halben Stunde zur Trunkenen Scholle kommt. Ich habe einen Wundarzt.«
    » Und was is mit meinen Patienten?«, fragte er und wedelte mit einer Hand Richtung Tür.
    » Sie wird sterben, wenn wir warten.«
    Seine Augen sahen mich unter den buschigen Augenbrauen hervor an, die in alle Richtungen abstanden, und ich fühlte mich durch den Scharfsinn seines Blickes fast wie aufgespießt; die Nase wackelte wieder etwas mehr. Ich versuchte, nicht hinzusehen.
    » Ich werde kommen. Nach wem soll ich fragen?«
    » Glut. Glut Halbblut.«
    Er nickte. » Also in einer halben Stunde.«
    Danach ging ich zum Fischmarkt. Ich schärfte alle meine Sinne, konnte

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