Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
benutzen auch keine Silbmagie, wenn sie es tun. Sie benutzen Dunkelmagie.«
Sie starrte mich an. Hoffnung und Ungläubigkeit rangen miteinander. » Seid Ihr sicher, dass Ihr wisst, was Ihr da sagt?« Das war Glut, so unverblümt wie immer.
» Nein. Es is nur eine Theorie, und ich könnte falschliegen.«
» Ihr glaubt doch nicht einmal an Silbheilung! Ihr haltet sie für eine Krankheit!«
» Ich habe nich den Eindruck, dass ich überhaupt noch irgendetwas wirklich weiß. Nur eines vielleicht, dass der menschliche Geist bemerkenswert is. Und manchmal, selbst oben in der Himmelsebene, ohne dass irgendein Silbmagier in Reichweite wäre, habe ich Leute gesehen, die vom Pfad der Schöpfung zurückgekehrt sind, einfach weil sie den Willen hatten, es zu tun. Die Menoden würden solche Wiederbelebungen als Wunder bezeichnen, schätze ich, die auf Gottes Willen zurückzuführen sind. Ich bin Arzt. Ich sage, es is eher was Prosaisches und doch auch gleichzeitig was Wunderbares: der menschliche Wille. Vielleicht hat der Geist eines Silbbegabten oder eines Dunkelmagiers eine Kraft, von der ich nichts weiß.« Ich hatte gesehen, was sie mit der Kraft ihres Geistes mit meinem Floß gemacht hatten. Ich zögerte. » Reyder hat nichts zu verlieren.« Ich schob den anderen Gedanken beiseite: Aber andere vielleicht … » Normalerweise würde einer der Wissenden sich automatisch gegen einen Angriff von Dunkelmagie wehren, indem er auf seine eigene Immunität zurückgreift. Aber Reyder wird bewusstlos sein. Das wird es wahrscheinlich leichter machen.«
» Wie sollen wir Dunkelmagier dazu bringen, jemanden zu heilen, wenn sie es nicht wollen?«
» Wir müssen ihnen etwas geben, das sie als Gegenleistung unbedingt haben wollen.«
» Und das wäre?«
» Ihr Leben. Sie sind Gefangene der Ghemfe. Sie haben gesehen, was die Ghemfe hier veranstaltet haben, dafür habe ich gesorgt. Sie wissen jetzt, dass ihre Magie auf Ghemfe keine Auswirkungen hat. Sie wissen, sie können nich entkommen, und sie wissen auch, dass sie mit herausgerissener Kehle sterben werden. Die Ghemfe halten sich nur noch zurück, weil ich sie darum gebeten habe.«
» Wir können ihnen leicht versprechen, dass sie die Freiheit erhalten, wenn sie Reyder geheilt haben, aber sie würden es nicht glauben.«
» Sie würden es glauben, wenn die Ghemfe es ihnen versprechen würden. Ghemfe brechen nie ein Versprechen.«
» Aber so etwas würden die Ghemfe nie versprechen! Sie scheinen sich entschieden zu haben, gegen die Dunkelmagier Widerstand zu leisten. Wegen Aylsa.«
» Sie würden es tun, wenn Glut Halbblut sie darum bittet.«
Sie stand da und starrte mich an, hielt meinen Blick fest. Thor lag unruhig atmend zwischen uns; sein muskulöser Körper war eine Erinnerung an die Schönheit der Schöpfung. » Ihr würdet zwölf Dunkelmagier auf die Welt loslassen, um einen Mann zu retten?«, fragte sie, kaum lauter als im Flüsterton. » Einen Mann, den Ihr kaum kennt? Versteht Ihr wirklich, welcher Schaden der Welt durch solche üblen Verderbtheiten zugefügt werden kann?«
» Ja. Zumindest kann ich es seit heute gut erahnen. Vergesst nich, dass ich sie riechen kann. Und das Böse hat seinen eigenen Gestank.« Ich erinnerte mich an Ginna. » Ja, ich verstehe es.«
» Solche Leute freizulassen, damit sie weiter töten und andere verderben können, ist nicht das Zeichen eines guten Arztes. Oder eines guten … eines guten Irgendwas.«
» Ihr würdet es trotzdem tun«, sagte ich.
» Ich würde es für ihn tun«, stimmte sie mir zu. » Aber ich habe ihn geliebt. Und ich bin keine gute, aufrechte Bürgerin irgendeines Inselreichs, in die von früher Kindheit an Begriffe wie Ehre eingemeißelt worden sind. Ihr dagegen seid ein Arzt, der nicht einmal getötete Tiere isst! Wieso solltet Ihr eine solche Plage auf die Menschheit loslassen?«
Sie wusste es tatsächlich nicht. Ich konnte ihre Verwirrung riechen, ihren Wunsch, es zu verstehen. Ich zögerte, es ihr zu sagen, denn ich wollte nicht, dass sich etwas zwischen uns veränderte. Ich sah beschämt zur Seite, meine Schwäche erkennend und in dem Wissen, dass das, was ich da tun wollte, moralisch falsch war. Männer wie diese ehemaligen Silbbegabten sollten nie wieder die Möglichkeit haben, über die Erde zu wandeln und ihre Form der Hölle über andere zu bringen. » Sagen wir einfach, ich habe meine Gründe. Thor Reyder is ein guter Mann, der noch viel Gutes in seinem Leben tun wird, wenn es ihm vergönnt is zu leben.«
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