Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
Obwohl es überall auf dem Kai stark nach Guano roch, konnte ich die Dunkelmagie der Reizend riechen.
» Ist Flamme an Bord?«, wollte Glut von mir wissen.
Ich schüttelte den Kopf. » Ich glaube nicht. Tatsächlich glaube ich, dass Morthred und die meisten Dunkelmagier ebenfalls weg sind. Es gibt möglicherweise nicht mehr als zwei umgewandelte Silbmagier an Bord, zusätzlich zur Mannschaft.«
» Wenn es so weit ist, können wir mit den beiden beginnen«, sagte Reyder ruhig. » Wir könnten sie zuerst töten.« Glut wurde bleich. Das verwunderte mich zunächst, aber dann begriff ich, dass sie diese kaltblütige Unbarmherzigkeit bei Reyder nicht gewohnt war. Ich zitterte leicht und fragte mich, ob er wohl genauso schnell bereit war, Flamme loszuwerden, wenn sich herausstellte, dass wir ihr nicht helfen konnten. Vermutlich hatte er dafür sogar den Segen der Menoden, die nicht dulden würden, dass eine Dunkelmagierin den Basteiherrn von Breth heiratete – vor allem, wenn sie auch noch einen Anspruch auf den Thron von Cirkase hatte. Was auch die Wahrer nicht dulden würden.
» Kann ich helfen?«, fragte Dek mit leuchtenden Augen.
» Du kannst nach unten gehen und mein Schwert holen«, sagte Glut.
Reyder lächelte ihr zu, nachdem Dek im Niedergang verschwunden war. » Du hältst einen Tintenfisch an einem einzigen Tentakel fest, Glut.«
Sie seufzte. » Ich weiß, aber was zur verrenkten Hölle soll ich mit dem Jungen tun? Er scheint keinen Funken Angst in sich zu haben.«
» Oder irgendwelche Bedenken, wenn es um das Abschlachten von Menschen geht, wie ich sehe.«
» Nun, nicht, wenn es sich um Dunkelmagier handelt«, ergänzte sie.
» Was wollt Ihr denn tun?«, fragte ich und bezog mich damit nicht auf Dek. » Einfach losmarschieren und so viele umgewandelte Silbmagier töten, wie wir finden können? Angefangen mit den beiden auf der Reizend?«
Reyder zog eine Braue in die Höhe. » Findet Ihr, wir sollten uns erst höflich mit den Dunkelmagiern unterhalten, Gilfeder?«
Glut mischte sich hastig ein. » Wir lassen sie vorerst in Ruhe. Zum einen, weil ich, wenn möglich, keine Bezwungenen verletzen möchte. Zum anderen hat Xolchas eine ziemlich strenge Einstellung, was Morde betrifft. Die Leute hier sind sehr diszipliniert und gesetzestreu.« Sie deutete auf die Klippen, die sich über dem Hafen erhoben und in einen Himmel ragten, an dem unzählige Vögel herumflogen. Sämtliche Felswände waren mit einem Netz aus Seilen bedeckt.
» Die Seile werden von den Guano-Sammlern benutzt«, sagte sie. » Jede Familie auf dem Pfeiler hat das Recht auf einen bestimmten Anteil am Felsen. Dies bietet gewaltiges Potenzial für Rechtsstreitigkeiten, Diebstahl und Auseinandersetzungen, und trotzdem gibt es so etwas hier nicht. Die Familien bewachen ihr Gebiet nicht einmal, weil es undenkbar ist, dass jemand auch nur einen einzigen Kothaufen stehlen würde. So etwas kommt einfach nicht vor. Wie ich schon sagte, sie halten sich an die Gesetze.«
» Also werden wir niemanden öffentlich töten«, sagte Reyder. » Dann tun wir es stattdessen im Verborgenen.« Es war nur zur Hälfte ein Witz.
Glut schoss ihm einen besorgten Blick zu. » Wir versuchen erst herauszufinden, ob es legale Möglichkeiten gibt. Wir gehen zum Turmherrn und bitten ihn einzugreifen. Oder wir bitten um die Erlaubnis, es selbst zu tun.«
» Ihr könnt Flamme nicht zufällig irgendwo riechen, oder?«, fragte Reyder mich.
Ich schüttelte den Kopf. » Das würde ich aber auch dann nicht tun, wenn sie tatsächlich da oben wäre. Ich kann nichts riechen, das irgendwo da oben ist, weil es zum einen zu windig is, und zum anderen, weil es hier überall nach Guano stinkt.«
» Das haben wir bemerkt«, sagte Glut trocken, als Dek mit dem Schwert zurückkehrte. Sie schnallte es sich um, während das Schiff den Kai erreichte und das letzte Segel rasselnd heruntergelassen wurde.
» Erst einmal«, sagte ich und widersprach damit beiden, » suchen wir nach den Dunstigen.«
Wie sich herausstellte, fanden sie uns, noch bevor wir das Schiff verließen. Sie hatten offensichtlich nach mir Ausschau gehalten. Ruarth, dachte ich, hatte viel Vertrauen, dass ich letztendlich doch noch auftauchen würde.
Der Anführer des Schwarms, der zu uns geflogen kam, sich auf der Reling niederließ und nach mir fragte, war ein ältlicher, aufgeblasener Kerl. Ausnahmsweise einmal hatte ich keine Probleme, sowohl Geschlecht als auch Alter des Dunstigen zu bestimmen. Junger Mann, begann
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