Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
ihren Kopf auf meine Schulter sinken. » Das ist etwas, das er mir niemals ganz vergeben wird.«
» Er liebt Euch immer noch.«
» Tut er das? Vielleicht ist es das, was es so schrecklich macht.« Sie machte eine Pause. » Nein, das ist nicht das, was es so schrecklich macht. Es ist die Dunkelmagie, die das tut. Er hat recht, Kel. Da ist etwas in seinem Innern, das vorher nicht da war. Er hat es richtig erkannt – er ist befleckt.« Ich roch ihr Entsetzen. » Was haben wir getan? Gütiger Himmel, Kel, was haben wir ihm angetan ?«
Ich wollte leugnen, dass wir irgendetwas getan hatten, aber es wäre nicht die Wahrheit gewesen. Wir hatten einen Mann in etwas verwandelt, das er nie hatte sein wollen.
Ich strich ihr über die Haare und gab mir alle Mühe, mich nicht über ihrem Rücken zu erbrechen.
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Erzähler: Kelwyn
Wenn Ihr jemals in Xolchaspfeiler gewesen seid, werdet Ihr wissen, wie phantastisch der Moment ist, wenn man den ersten Blick darauf wirft.
Es war früh am Morgen, als wir ankamen, und das schräg einfallende Licht der aufgehenden Sonne tauchte die Pfeiler in Gold und ließ ihre Schatten wie Finger, die auf irgendwelche weit entfernten, unsichtbaren Ziele wiesen, über das Wasser jagen. Jeder einzelne Pfeiler ragte hoch aus der anbrandenden See auf, hatte eine Reihe von Felsen um seine Basis, die wie Kinder wirkten, die an den Röcken des Riesen spielten, der sie geboren hatte. Jeder Pfeiler war eine zerklüftete Säule voller Ritzen und Spalten; Vögel – Abertausende von Meeresvögeln – kreisten und schrien, stürzten sich von den Klippen hinunter ins Meer oder ließen sich auf unsichtbaren Luftströmungen nach oben tragen.
Oben auf den Pfeilern lebten Menschen; sie wohnten in Steingebäuden, die manchmal gefährlich nah an den Klippenrändern kauerten. Die Fenster gewährten den Blick auf einen Ozean, der weit, weit unter ihnen wogte. Wie Glut mir sagte, gab es einhundert solcher Pfeiler. Zehn von ihnen waren groß genug, dass Städte auf ihnen hatten errichtet werden können, die anderen hatten Weiler umgeben von Weiden und Feldern, auf denen ihre Schafe grasten und ihre Ernte wuchs.
Der größte Pfeiler war Xolchasturm, wo auch der Turmherr lebte. Die Stadt erstreckte sich über die gesamte obere Fläche dieses Pfeilers, von einem Klippenrand zum anderen. Das Haus des Herrschers befand sich in der Mitte, am oberen Ende eines Zickzackpfades, der von Xolchashafen hinaufführte.
Dek stand neben mir, während unser Schiff anlegte und wir auf den Lotsen warteten, und ließ einen Schwall von Fragen auf Glut und Reyder niederprasseln. Derart auf dem Schiff festgesetzt zu sein hatte ihn frustriert, denn wegen seiner gebrochenen Rippen hatte er nicht in der Takelage herumklettern können, und auch mit seinen Schwertübungen war er aus diesem Grunde nicht sehr viel weitergekommen. Wenn er wach gewesen war, hatte er den größten Teil mit Glut auf Deck verbracht, während Reyder mich ausgefragt hatte, um etwas über die medizinischen Praktiken der Leute von der Himmelsebene zu erfahren – anders konnte man es nicht ausdrücken. Sein Interesse war aufrichtig und daher schmeichelhaft, aber ich verlor nie aus dem Blick, dass er eine Absicht verfolgte. Er war immer noch nicht ganz ehrlich mir gegenüber, was das betraf. Für die gewöhnlichen Tätigkeiten eines Patriarchen war es wohl kaum nötig zu wissen, wie viel Prozent der Geburten in der Himmelsebene für die Mutter den Tod bedeuteten oder wie wir das Sechs-Tage-Fieber kurierten oder einen gebrochenen Rücken richteten. Jetzt weiß ich natürlich, dass Reyder bereits eine Zukunft plante, in der das Patriarchat solche Dinge wirklich wissen musste.
Außerdem wollte er meine sämtlichen Theorien – auch die unbewiesenen – über Dunkelmagie und die Vergiftung und Umwandlung von Silbbegabten hören. Angesichts seiner Sorge um Flamme war das nicht verwunderlich, und ich gestehe, dass ich die Stunden genoss, in denen wir meine Theorie diskutierten, dass Magie eine Krankheit war. Er glaubte nicht, dass es so einfach wäre, und, um ehrlich zu sein, gerieten meine eigenen Ideen auch ins Wanken.
Wie konnte diese Theorie Dinge erklären, die ich mit eigenen Augen gesehen hatte, zum Beispiel die Heilung von Reyders Wunden durch schiere Konzentration, als er selbst bewusstlos gewesen war? Oder die Beschädigung des Floßes, auf dem ich gewesen war, als mir die Dunkelmagier ihre Magie entgegengeschleudert hatten? Oder die Art und Weise, in der Flamme
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