Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
wirklich der rechtmäßige Erbe des Throns der Dunstigen sein, aber er ist auch ein umgewandelter Silbmagier und jetzt ein Dunkelmeister. Er versucht, seinerseits das Burgfräulein umzuwandeln. Und der Rat der Wahrer irrt sich leider in Bezug auf die Ereignisse, die zur Befreiung Lyssals von Cirkase durch Glut geführt haben. Mit Eurer Erlaubnis, mein Herr, möchte ich Euch die ganze Geschichte erzählen. Sie ist ziemlich interessant.« Er lächelte sie an, versprühte seinen Charme. Beim verfluchten Nebel, dachte ich, der Mann flirtet mit ihr.
Xetiana lehnte sich wieder zurück. » Also gut«, sagte sie. » Ich bin immer bereit, mir eine gute Geschichte anzuhören. Fangt an, Syr-Patriarch.«
Reyder brauchte eine Stunde, während derer wir an Ort und Stelle stehen blieben und versuchten, nicht herumzuzappeln. Dek war das fast unmöglich, und Glut packte ihn schließlich in einer täuschend beiläufigen Geste im Nacken. Reyders Geschichte war nicht ganz die, die ich kannte; er ging über ein paar markante Einzelheiten hinweg, wie etwa die Tatsache, dass Glut Flamme von Dasricks Wahrer-Schiff geholt und dabei den Rat bewusstlos geschlagen hatte. In seiner Geschichte wurde ich munter zu einem Wissenden gemacht, um eine Erklärung über Selberhirten und ihre Fähigkeiten zu vermeiden. Er sagte nichts von seiner Überzeugung, dass Gethelred tatsächlich über einhundert Jahre alt war und vor etwa neunzig Jahren die Dunstigen Inseln versenkt hatte. Und die Ghemfe tauchten in seiner Geschichte auch nicht auf. Ebenso wenig wie die Dunstigen – weder die Vögel insgesamt noch Ruarth.
Er verbrachte viel Zeit mit der Schilderung der entsetzlichen Geschehnisse in der Dunkelmagie-Enklave in Kredo auf Gorthen-Nehrung, und er erzählte ausführlich von dem Angriff der Wahrer, bei dem sie das Dorf mit ihren Kanonengewehren dem Erdboden gleichgemacht hatten. Er war ziemlich drastisch in seiner Darstellung, als es um den Tod von Alain Jentel ging, der von einer Kanonenkugel zerfetzt wurde. Er sagte, dass Flamme von der Dunkelmagie angesteckt worden wäre, aber dass ich, ein berühmter Arzt und Wundarzt aus Mekaté, hoffen würde, sie von ihrer Krankheit heilen und in ihren früheren Silbzustand zurückversetzen zu können. Sofern wir noch rechtzeitig zu ihr kommen könnten.
Er endete mit einer beredten Darlegung dessen, was mit Breths nächstem Nachbar, Xolchaspfeiler, wohl passieren würde, wenn ein Dunkelmagier in Gestalt des Burgfräuleins Lyssal den Basteiherrn von Breth heiratete und ermordete, sobald sie einen Erben geboren hatte, um dann einen Dunkelmeister namens Gethelred zu ehelichen. Als Zugabe warf er die Idee einer übermächtigen Oligarchie der Wahrer in den Raum, die so üble Waffen wie das Kanonengewehr kontrollierten. Ich erinnerte mich in diesem Moment, dass Glut einmal eine Bemerkung darüber gemacht hatte, wie die Wahrer-Inseln in einem Handelskrieg die ökonomische Kontrolle über Xolchas’ Guano-Export an sich gerissen hatten, und ich vermutete, dass der Patriarch heimlich mit den gerechtfertigten Ängsten des Turmherrn vor einer Beherrschung durch die Wahrer spielte.
Bei den Himmeln, war er gerissen! Nicht ein einziges Mal wanderte sein Blick zu den beiden erfahreneren Staatsmännern im Raum, zu Asorcha und Shavel: Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Xetiana gerichtet. Er klang so rational, so offensichtlich ehrlich und aufrecht, selbst in den Momenten, wenn er die Wahrheit beugte. Er schmückte seinen Bericht mit scheinbar freimütigen Bemerkungen aus, die andeuteten, dass natürlich nur intelligente Zuhörer wie der Turmherr verstehen würden, worauf er hinauswollte. Er bezauberte sie und schmeichelte ihr, aber so feinsinnig und aufrichtig, dass es unmöglich war, ihm dafür einen Vorwurf zu machen. Er schien Xetianas Scharfsinnigkeit wirklich zu bewundern. Und die ganze Zeit sprach er niemals von oben herab oder bevormundete sie aufgrund ihrer Jugend oder ihres Geschlechts oder ihrer Unerfahrenheit. Es gelang ihm, sie sowohl als begehrenswerte Frau als auch als kluges Staatsoberhaupt zu behandeln, und zwar gleichzeitig.
Verdammt, dachte ich. Es gab wirklich nichts, was dieser Mann nicht gut konnte.
Als er fertig war, neigte er einmal kurz den Kopf und trat an seinen Platz zurück. Niemand von uns rührte sich.
Xetiana hob einen Finger ihrer linken Hand. Es war offensichtlich ein Zeichen für Shavel, seine Meinung kundzutun, denn er räusperte sich und trat einen Schritt näher zu ihr. » Mein Herr«,
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