Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
Feuchtigkeit mit sich bringt. Die Steilhänge zwingen die Wolken, sich nach oben zu bewegen, wodurch sie abkühlen, und sie beginnen abzuregnen. Vom Wetter auf der Himmelsebene sagt man, wenn man keinen Regen sehen kann, dann ist einfach nur der Nebel zu dick.
Glücklicherweise leben die Selber sehr gut von der Feuchtigkeit und den verschiedenen Gräsern, die auf den hochgelegenen Wiesen wachsen, und die Menschen der Himmelsebene leben sehr gut von den Selbern. Durch ihren Dung erhalten wir Brennstoff für unsere Feuerstellen und Dünger für unser Korn. Ihr Fell versorgt uns mit Leder, aus ihrer Wolle machen wir Kleidung und Decken, ihre Knochen liefern das Material für Nadeln und Schnallen und unzählige andere Gegenstände. Ihre Milch verarbeiten wir zu Käse und Butter und Quark. Die eisenharten Hufe können zu Messern und anderen Utensilien geschnitzt und geschärft werden. Wir töten die Selber nie absichtlich – Menschen von der Himmelsebene würden nie absichtlich etwas töten –, aber wir sind pragmatisch, und hat sich ein Selber so verletzt, dass man seinem Leben ein Ende setzen muss, oder stirbt er aus Altersgründen, wird er bis zur letzten Wimper verwertet.
Ihr habt noch nie einen Selber gesehen? Oh. Nun, stellt euch den Körper eines Schafes vor – allerdings eines sehr großen, zotteligen Schafes –, das die Beine eines Ponys der Wahrer-Inseln hat, einen schiefen Schwanz und die Ohren eines Rotwilds, die Schnauze einer Ziege und den Hals von einem … nun, ich bin nicht sicher, was sonst noch so einen Hals hat wie ein Selber. Einen langen, geraden, aufrechten Hals. Ganz und gar nicht wie der eurer kellischen Pferde. Und sie haben verfilzte Wolle, keine Haare. In allen möglichen Farbschattierungen von Braun, Grau, Schwarz oder Weiß, oder auch eine Kombination aus mehr als nur einer dieser Farben.
Jeder, der in der Ebene wohnt und alt genug ist, um laufen zu können, besitzt mindestens einen eigenen Selber, und mit denen, die wir reiten, verbindet uns gewöhnlich eine besondere Zuneigung. In vielerlei Hinsicht ist es jedoch schwer, diese Tiere zu lieben. Sie sind übellaunig und reizbar, beißen und spucken und stoßen die Leute gern mit dem Hals in die Seite. Sie sind außerdem ziemlich dumm und nicht besonders treu. Skandor war der Beste, den ich jemals hatte, denn er besaß ein Minimum an Intelligenz. Er hörte gut auf die Selberpfeife, auch wenn es ihn nicht sehr kümmerte, wer es war, der darauf blies. Er hasste es jedoch, von jemand anderem geritten zu werden als von mir, was einer der Gründe war, weshalb ich wie angewurzelt stehen blieb, als ich jemanden auf seinem Rücken sah, während er durch die Menge auf mich zukam.
Es war die Frau namens Glut, die eigentlich noch hätte im Gefängnis sitzen müssen. Nun ja, sie ritt ihn eigentlich nicht richtig – er hatte sich bereits entschieden, wohin er gehen wollte, und nichts, abgesehen von einem gebrochenen Bein, hätte ihn davon abhalten können, sein Ziel zu erreichen –, aber es gelang ihr immerhin, im Sattel zu bleiben. Es sah sogar so aus, als würde sie sich ganz wohl dabei fühlen. Ihr Schwert trug sie in dem Gehenk auf dem Rücken.
Als sie bei mir ankam, blieb Skandor stehen, und sie beugte sich nach vorn und streckte eine Hand aus, um mir beim Aufsteigen zu helfen.
Ich nahm sie nicht, sondern knurrte stattdessen: » Was bei den Höllen des Dunkelmonds tut Ihr auf meinem Selber?«
» Können wir das später klären?«, fragte sie. » Ich glaube, Ihr solltet im Moment lieber machen, dass Ihr von hier wegkommt. Diese Leute hier sind wie ein Wespenschwarm; sie brennen darauf, sich auf jemanden zu stürzen, und ich habe so das Gefühl, als wärt Ihr im Moment die erste Wahl.«
Sie hatte recht, also packte ich ihre Hand, und sie zog mich hoch und hinter sich. Ich nahm ihr die Zügel ab und drückte dem Selber kräftig die Fersen in die Flanken. Skandor gefiel das ganz und gar nicht, und er spuckte, während er sich umdrehte. Die Menge zerstreute sich eilig, als das übelriechende Gesabber auf sie herabregnete. Ein übergroßer Hund mit riesigen Füßen sprang mitten in das Chaos und schnappte nach einem Mann, der einen Stein in der Hand hielt. Der Kerl ließ den Stein fallen und suchte das Weite. Daraufhin wandte sich der Hund einem herannahenden Fellih-Priester zu, der den Fehler beging, das Tier mit seinem Stab schlagen zu wollen. Der Hund sprang an dem Priester hoch und zerfetzte ihm unter lautem Geknurre das Gewand, von der
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