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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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Worte, die sie sprach: » Möge die Schöpfung mich zu sich nehmen. Jetzt, Kelwyn.« Der Blick, den sie dann aussandte, galt mir, nur mir allein. Die Botschaft, die darin lag, drang mir bis in die Knochen: Alles lag darin, was ich nicht wissen wollte.
    Ich flüsterte ihren Namen und dachte: Schöpfung vergib mir.
    Ich zog meinen Arm zurück. Und dann schien sich die Zeit zu verlangsamen, oder kommt mir das jetzt nur in meiner Erinnerung so vor? Ich dachte, ich hätte sehen können, wie der Stein meine Hand verließ und sich herumdrehte. Einmal, zweimal, dreimal, während er über den Platz flog. Ich hatte nicht den leisesten Zweifel daran, was er tun würde; ich kannte die Kraft meines Wurfes, die Schärfe meiner Augen. Als Kind war ich stets derjenige mit der längsten Reichweite gewesen, dem genauesten Wurf. Es kam mir so vor, als würde ich eine Ewigkeit damit verbringen zuzusehen, wie sich der Stein in der Luft drehte. War es möglich, dass ich das Knirschen des Knochens hörte, als er aufkam? Denn an das erinnere ich mich.
    Jastriá sackte an dem Pfosten zusammen; auf ihrem Gesicht war noch immer das halbe Lächeln. Die zertrümmerte Schläfe war in ihren Schädel getrieben worden. Die Verletzung war eine Schändung, denn sie setzte sowohl ihrer Schönheit als auch ihrem Leben in einem Schwall von Blut und Hirn und Knochensplittern ein Ende.
    Sie zerfetzte meine Unschuld. Woher wusstest du, dass ich zu so etwas fähig bin, Jastriá? Wie konntest du wissen, dass ich so leicht alles hinter mir lassen würde, was einen Angehörigen des Himmelsvolks ausmacht? Du hast mich besser gekannt als ich mich selbst.
    Angewidert wandte ich mich ab. Ich war jetzt ein anderer Mann, nicht mehr derjenige, der den Marktplatz an diesem Abend betreten hatte. Ein Mann, der wusste, dass er nie wieder der Gleiche sein würde wie zuvor. Ich bahnte mir meinen Weg durch die Menge hindurch. Die Leute rührten sich wie wirbelndes Wasser. Sie packten ihre Steine und murmelten vor sich hin, verärgert darüber, dass man ihnen den Spaß geraubt und um den Anblick eines langsamen, qualvollen Todes gebracht hatte, um die Chance mitzuerleben, wie die heidnische Sünderin ihre gerechte Strafe erhielt. Jene, die am weitesten entfernt standen, rückten näher, und ich wusste, dass sie mich verletzen wollten, dass sie danach lechzten, ihrer Wut Ausdruck zu verleihen.
    Ich setzte meine Selberpfeife an die Lippen und blies kräftig und lang darauf. Diejenigen in meiner Nähe zögerten, denn sie verstanden nicht; das Pfeifen erzeugte keinen Klang für menschliche Ohren. Jene, die mein Gesicht sahen, versuchten, sich von mir zu entfernen. Und die an den Rändern der Menschenmenge schrien, als Skandor auftauchte. Ich nahm es niemandem übel, der versuchte, einen großen Bogen um ihn zu machen. Wenn Skandor verärgert war, tropfte Galle aus seinem Maul, und er bleckte die Lippen und enthüllte seine gelblichen Zähne. Das Ergebnis war ein atemberaubender Anblick. Er war atemberaubend – er konnte übelriechende, grünliche Galle mit zielgenauer Treffsicherheit fünfzehn Schritt weit aushusten und ausspucken, und niemand wollte gern von Selberspucke getroffen werden. Es juckte und stank. Es stank tagelang.
    Ich hatte ihn locker an einem der riesigen Bäume angebunden, die sich hinter dem Büro für Religions- und Rechtsangelegenheiten befanden, locker genug, dass er sich selbst freimachen konnte, falls ich ihn eilig brauchte. So wie jetzt. Er trabte zu mir, suchte mich, schob mit seinem Hals die Leute vor sich aus dem Weg und schnappte übellaunig nach allen, die zu langsam waren, warf den Kopf heftig hin und her.
    Was ich allerdings nicht beabsichtigt hatte, und was ich nicht einmal in meinen kühnsten Plänen in Betracht gezogen hatte, war, dass er mit jemandem auf dem Rücken zu mir gelaufen kam.

3
    k
    Erzähler: Kelwyn
    Ohne die Selber würde es kein Himmelsvolk geben.
    Es gedeiht nicht viel auf dem Dach von Mekaté. Das Gebiet befindet sich so hoch über dem Meeresspiegel – tatsächlich Tausende von Fuß –, dass es der tropischen Hitze entkommt. Allerdings besteht der Boden aus Stein, der höchstens mit leichter Erde bedeckt ist. Dafür regnet es auf dem Dach sehr viel. Ich habe mir von Seeleuten sagen lassen, dass Mekaté nicht nur im Weg einer warmen Meeresströmung aus Südwesten liegt, sondern auch in den von ebenfalls aus der gleichen Richtung kommenden Winden. Es ist diese Kombination, die das ganze Jahr über all die Wolken und die

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