Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
nach Mekatéhaven reiten musst, um das alles in die Wege zu leiten, und ich bin mir nich sicher, ob das im Augenblick eine gute Idee ist.«
» Nein, nein. Ich werde einen der Männer, die sie hinter dir hergeschickt haben, dafür bezahlen, dass er den Brief meinem Freund in Mekatéhaven übergibt.«
Ich starrte ihn ungläubig an. » Du willst was tun? Und was is, wenn er den Brief liest?«
» Oh, Junge, traust du mir denn gar nichts zu? Ich bin sehr gut imstande, es so zu formulieren, dass nichts zu erkennen sein wird. Abgesehen davon werden sie niemals glauben, dass ich so dumm bin, ihnen einen Brief mitzugeben, in dem es um dich geht.«
Ich riss meine Hände in die Höhe, in einer Geste der Niederlage. Garwin war schon immer unglaublich gewesen. Mein Leben schien mir aus der Hand genommen worden zu sein, und es hatte den Anschein, als würde ich weit länger in der Gesellschaft von Glut Halbblut bleiben, als mir das gefiel.
» Anistie wird dir gefallen«, sagte er. » Und du kannst deine Zeit dort nutzbringend verbringen; steck deine Nase in die Papiere und all das andere Zeug, das sie von mir hat.«
» Papiere?«
» Ja, eine Sammlung, die ich im Laufe der Jahre angelegt habe. Ich hätte sie nie den ganzen Weg den Steilhang hochschleppen können, also habe ich sie bei Anistie Brittel gelassen. Abgesehen davon gibt mir das einen Grund, ab und zu bei ihr vorbeizusehen. Eine kluge Frau, diese Anistie.« Er blinzelte.
Ich achtete nicht darauf. » Also, von was für Papieren sprechen wir?«
» Bei den meisten geht es um Magie. Besonders um Dunkelmagie. Sie hat mich schon immer fasziniert. Hast du dich nie gefragt, woher eigentlich die Magie kommt?«
» Nein, kann ich nich behaupten, dass ich mich das je gefragt habe. Was haben deine Papiere dir gesagt?«
» Oh, ich habe die meisten noch gar nich gelesen. Wenn ich bei Anistie war, habe ich immer irgendetwas anderes gemacht, weißt du.«
» Ich glaube, du bist ein ganz schöner Spitzbube, Onkel.«
» Oh, aber natürlich. Ich habe nie das Gegenteil behauptet. Spitzbuben haben sehr viel mehr Spaß; du solltest dir das bei Gelegenheit mal durch den Kopf gehen lassen, Kel. Du bist deutlich ernster, als es dir guttut, weißt du.«
» Onkel«, sagte ich, » ich glaube, ich möchte einen Spaziergang machen.«
Er sah von seiner Arbeit auf – er schrieb Anisties Adresse auf – und wollte schon fast Einwände erheben, aber dann nickte er. » Ja«, sagte er. » Du musst dem Ort hier auf Wiedersehen sagen, vermute ich. Und ich werde ein bisschen gewöhnliche Kleidung für dich zusammensuchen. Vielleicht wäre es besser, wenn du den Tagaird nich trägst, während du auf den Inseln von Mekaté unterwegs bist; dadurch unterscheidest du dich zu deutlich von den anderen, und irgendwie glaube ich nich, dass es das is, was du brauchst.«
Ich nickte, ohne dass ich richtig zugehört hätte.
Dann verließ ich das Haus und ging den Berg hoch, der hinter dem Dorf begann. Mit jedem Schritt, den ich tat, kamen Erinnerungen herbeigeströmt: wie ich auf dem Rücken meines Vaters geritten war, als er loszog, um wilde Pilze zu suchen; wie ich mit meiner Mutter Hand in Hand losgerannt war, einfach nur, weil es Spaß machte; wie ich mit Jaim um die Wette den Berg hinuntergelaufen und kopfüber in die Gänseblümchen gefallen war; wie Jastriá und ich uns hinter den Felsen oben am Hang in der nachmittäglichen Hitze geliebt hatten. Erinnerungen an Gerüche: Wiesenblumen mit pollenbeschwerten Bienen, nasse Selber im Regen, reife, vom Nebel feuchte Moltebeeren, der saubere, frische Geruch eines frisch gefärbten Tagairds, der auf der Leine in der Brise trocknete.
Jastriá hatte all das freiwillig aufgegeben, weil sie die Freiheit gewollt hatte. Ihretwegen hatte ich all die Freiheit, die ich nicht wollte.
Ich saß oben auf dem Berg, schloss die Augen und trank die Gerüche, die Düfte, als müsste ich so viel davon in mich einsaugen, dass es für ein ganzes Leben reichte. Es war Sucher, der meine Aufmerksamkeit von alldem weglenkte und mich wieder in die Gegenwart zurückholte. Er schob seine feuchte Schnauze in mein Gesicht und leckte mich ab. Er roch stark nach Fisch. Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Er war der hässlichste Hund, den ich je gesehen hatte, und es gelang ihm, auf absurde Weise so auszusehen, als wäre er zufrieden mit sich. Er hatte einen Fisch gefangen und neben mich ins Gras gelegt. Als er sicher war, dass ich ihn gesehen hatte, begann er, ihn mit
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