Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
sagt anderen auch nur, dass man schuldig ist und es sich möglicherweise lohnen könnte hinterherzulaufen. Drei Apfelwein, bitte.« Die letzten Worte waren an die Kellnerin gerichtet.
» Ihr werdet Euch an Glut gewöhnen müssen«, sagte Flamme freundlich zu mir. » Mit ihr zu reisen ist in etwa so, als würde man versuchen, auf einem Hai zu reiten. Es ist in Ordnung, solange man sich festhält, aber wenn man runterfällt, findet man sich in tiefem Wasser wieder.«
» Das is ja wunderbar«, sagte ich. » Während die Freunde des Hais mir die Füße abbeißen, kann ich mich dann mit dem Gedanken trösten, dass mich wenigstens der nicht fressen kann, auf dem ich sitze.« Flamme lachte. Ich holte tief Luft, um mich zu beruhigen; das schreckliche Gefühl der Falschheit hatte sich schließlich aufgelöst.
Das Mädchen brachte uns unsere Getränke, und ich steckte meine Nase ins Glas und wünschte, ich wäre einfach ganz woanders.
Zwanzig Minuten später kehrte Ruarth zurück und setzte sich auf unseren Tisch.
Keine Sorge, sagte er.
» Aber der Junge ist ein Wissender, ja?«, fragte Glut.
Er zwitscherte. Allerdings.
Glut runzelte die Stirn. » Er kann wohl kaum auf unserer Seite stehen. Er gehört zur Wache! Wieso hat er dem Offizier nicht gesagt, dass wir gelogen haben?«
Ich bekam das meiste von Ruarths Antwort nicht mit, und Flamme musste übersetzen. Es schien, dass Ruarth dem Jungen und den anderen Wachen gefolgt war, als sie am Ufer entlang zur nächsten Schenke gegangen waren, in der sie ihre Suche fortgesetzt hatten. Der Junge hatte während der ganzen Zeit mit niemandem gesprochen, kein einziges Wort.
» Ich schlage vor, dass wir gehen«, sagte ich. » Jetzt sofort.«
» Wie hat der Junge für Euch gerochen?«, fragte Glut mich.
» Als wäre er rücklings von einem Selber gefallen«, sagte ich. » Er war erschrocken, verwirrt und durcheinander. Wenn er erst wieder klar denken kann, wird er sicher auch handeln.«
» Wenn wir jetzt gehen, werden wir ganz bestimmt sofort Verdacht erregen«, sagte Glut, immer noch ganz ruhig. » Wir bleiben.«
» Das is dumm«, sagte ich. Dennoch musste ich bewundern, wie sie einen kühlen Kopf bewahrte. Konnte denn nichts sie dazu bringen, jemals die Beherrschung zu verlieren?
» Nein, ist es nicht. Hört zu, ich bezweifle, dass der Junge jemals in seinem Leben Silbbegabte oder Silbmagie gesehen hat, oder wenn doch, dann nur im Zusammenhang mit Besuchen der Wahrer. Er wird entweder zu verängstigt sein, um etwas zu berichten, aus Sorge, dass man ihm vorwirft, er würde sich etwas einbilden, oder er wird die Art und Weise, wie wir aussehen – in das Silber von Flammes Silbmagie gehüllt –, mit den Wahrern in Zusammenhang bringen. Und niemand legt sich mit den Wahrern an.«
Ich leerte den Becher Apfelwein. » Ich hoffe, Ihr habt recht, Glut. Denn wenn nich, habt Ihr es mit Eurem Gewissen zu verantworten, wenn wir alle in einem Gefängnis der Fellih dahinsiechen.«
Flamme schnaubte. » Macht Euch keine Sorgen, Kel. Sie verlässt sich darauf, dass ich uns mit meinen Illusionen aus jedwedem Ärger raushole, den sie uns eingebrockt hat. Wie immer. Das ist mein Schicksal, fürchte ich: ständig die Jungfrau in Nöten zu retten.« Sie grinste Glut an, die die Augen verdrehte.
Ich stand auf. » Ich bin in meinem Zimmer, wenn die Welt in Stücke geht«, sagte ich mürrisch. » Komm zu mir und sag mir Bescheid, Ruarth, wenn es Zeit is, in Panik zu geraten.«
Zurück in meinem Zimmer, zog ich das Bett zum Fenster hinüber, damit ich dort sitzen und den Eingang zur Schenke im Auge behalten konnte. Ich rechnete aufrichtig damit, dass die Wachen in voller Stärke zurückkehren würden; stattdessen sah ich drei Stunden später nur den Jungen auftauchen. Er trug jetzt keine Uniform mehr, und er beeilte sich, als wäre ihm ein spuckender Selber auf den Fersen.
Oh, verflucht, dachte ich, das gibt Ärger.
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Erzähler: Kelwyn
Dekan Grinpindillie wurde in einem einfachen Haus geboren, das in den Gezeitensümpfen der Kitamu-Bucht auf Stelzen errichtet worden war und aus nur einem Zimmer bestand. Wenn Ebbe herrschte, wurde der Sumpf unter dem Haus als graue, klebrige Fläche freigelegt, die zwar trocken aussehen mochte, sich aber als tückischer Friedhof für jeden erwies, der dumm genug war, seinen Fuß daraufzusetzen. Niemand gelangte anders zum Haus der Grinpindillies – und von ihm wieder zurück – als mit einem Boot.
Das Haus selbst bestand aus Treibholz und stellte
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