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Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

Titel: Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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kaum mehr als einen notdürftigen Unterschlupf dar. Nichts war darin, das man als Möbelstück hätte bezeichnen können, lediglich eine Feuerstelle zum Kochen und ein Fass zum Sammeln von Regenwasser. Abgesehen davon befand sich das Haus über einer Fischfalle aus Mangrovenholz, was bedeutete, dass die Fische bei Flut durch Pfostenreihen in ein Netz geleitet wurden, das sich hinter dem Haus befand. Bei Ebbe kletterte Bolchar, Dekans Vater, eine Leiter hinunter und holte den Fang aus dem Matsch, indem er das Netz hochzog und aufhängte. Danach versorgte Dekans Mutter die Fische, zerteilte sie und pökelte und trocknete die Stücke, die sie nicht gleich essen konnten. Einmal im Monat ruderte Bolchar mit dem Boot zur Küste, um dort Treibholz als Brennstoff zu sammeln und im nahe gelegenen Dorf gepökelten Fisch gegen Gemüse zu tauschen, gelegentlich auch gegen ein Stück alte Kleidung und andere Dinge, die benötigt wurden.
    Die ersten sieben Jahre war dies alles, was Dekan, oder Dek, wie er genannt wurde, vom Leben kannte. Er half seiner Mutter dabei, das Meerwasser zu verdampfen, um das darin enthaltene Salz zu gewinnen; den gepökelten Fisch vorzubereiten; die Filetstücke in der Sonne auszubreiten und sie bei Regen wieder rechtzeitig hereinzuholen. Sein gesamtes Dasein war darauf konzentriert, seinem übellaunigen Vater aus dem Weg zu gehen – was schwierig war, wenn man nirgendwohin konnte – und den Geschichten zu lauschen, die seine Mutter zu erzählen hatte.
    Als er sieben war, nahm ihn sein Vater auf einem seiner monatlichen Ausflüge zum ersten Mal mit ans Ufer. Dek kam jedoch nicht dazu, die Gastfreundschaft des Dorfes kennen zu lernen: Bolchar ließ ihn stattdessen entlang den Mangroven Treibholz sammeln. Danach begleitete er seinen Vater regelmäßig, und das Sammeln von Brennholz wurde seine Aufgabe. Aber egal, wie viel er auch sammelte, sein Vater war nie zufrieden, und unausweichlich erhielt er Schläge auf den Kopf.
    Nur selten tauchten Besucher beim Haus auf; keiner seiner Elternteile hatte Verwandte oder Freunde, die hätten kommen können. Etwa ein- oder zweimal im Jahr kam es vor, dass eine plötzliche Sturmflut ein Fischerboot unter das Haus trieb; dann pflegten die Fischer die Leiter hochzusteigen und sich auf dem Boden niederzulassen, bis der Sturm vorüber war. Seine Mutter machte ihnen ein heißes Getränk aus Seetang, und sein Vater sprach mit ihnen darüber, wie schlecht der Fang war.
    Es war ganz und gar kein Leben für einen heranwachsenden Jungen, aber Dek wusste das nur, weil seine Mutter es liebte, Geschichten zu erzählen.
    Ihr Name war Inya. Früher einmal war sie die Syr-Wissende Inya Grinpindillie gewesen. Früher einmal war sie ein hübsches Mädchen gewesen, das jüngste Kind liebevoller Eltern und einer großen Familie. Ihr Vater war Händler in Mekatéhaven gewesen, einer derjenigen vom Weißvolk, die ihre Fähigkeiten dazu nutzten, mit Silbmagiern Geschäfte zu machen. Er handelte mit Leinen, das er von Geschäften auf Breth besorgte, die im Besitz der Wahrer waren.
    Inya war ein verwöhntes und verzogenes Mädchen, und sie liebte nichts mehr, als auf dem Platz vor dem Haus ihrer Eltern zu sitzen und jeden Abend den Geschichtenerzählern zu lauschen. Ihr normaler Lebensweg hätte vorgesehen, dass sie irgendwann den Sohn eines anderen Kaufmanns heiratete, irgendwo in der Nähe in einem Herrenhaus wohnte und eine eigene Familie großzog. Ihr Vater hatte es allerdings nicht eilig damit, seine jüngste Tochter zu verheiraten, die noch dazu seine Lieblingstochter war, und sie war damit zufrieden. Als sie neunzehn war, drängte sie ihn dazu, ihn auf der nächsten Reise nach Breth begleiten zu dürfen: Sie sehnte sich danach, eine andere Insel zu sehen und irgendetwas Spannendes zu erleben. Er gab bereitwillig nach, und zusammen segelten sie auf einem Frachter, der zur Hälfte ihm gehörte. Die Reise nach Westen verlief ereignislos, sie umrundeten Kap Kin und fuhren die Westküste von Mekaté entlang. Irgendwo nördlich der Minkan-Bucht jedoch wurden sie  – ungewöhnlich für die Jahreszeit – von einem Sturm überrascht, der den Hauptmast abbrach und das schwer angeschlagene Schiff, steuerlos und hilflos dem Wind und den Gezeiten ausgesetzt, ostwärts an der Sekam-Küste entlangtrieb.
    Inya war unter Deck, als das Schiff schließlich nördlich der Kitamu-Buchten auf die Felsen prallte. Der Schiffsrumpf wurde aufgeschlitzt und sie selbst ins Wasser geschleudert, als das Schiff

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